Staub Im Paradies
Kopf wippen. So konfus ihre Haare, so glasklar und wach ihre Augen, die so blau sind wie ein sonnenbestrahlter Bergsee kurz vor einem Gewitter.
»Sagt dir der Name Titus Trüeb etwas?«, frage ich sie nach einem der angeblichen Schachpartner Schütz’, die mir der junge Salis aufgezählt hat.
»Na klar!«, ereifert sie sich sofort. »Der mischelt hier für die Glückskette rum. Sein Name taucht immer wieder im Zusammenhang mit krummen Geschäften auf. Ein schmieriger, undurchsichtiger Typ, wenn du mich fragst.«
»Er ist Beamter?«
»Offiziell ist er Delegierter des Roten Kreuzes«, antwortet sie. »Letztlich hat er das von der Schweizer Bevölkerung für die Tsunamihilfe gespendete Geld zu verteilen. Wobei diese Hilfe auch heute, über zwei Jahre nach der Katastrophe im Dezember 2004, noch immer jämmerlich ineffizient abläuft.«
»Aha.«
»Die Geschichte der Schweizer Tsunamihilfe ist wirklich ein Hohn, Fred«, klärt sie mich auf. »Nicht weil es an Geld gemangelt hätte. Rund fünfzig Millionen Franken standen allein für Sri Lanka zur Verfügung. Als die Hilfsmaßnahmen drei Monate nach der Katastrophe endlich anliefen, waren von Schweizer Seite aber gerade mal eine Ethnologin und ein Betriebsökonom vor Ort. Wobei als Ziel der Bau von tausendfünfhundert Häusern angegeben worden war, stell dir das mal vor! Natürlich lief unter diesen Umständen zunächst gar nichts, woraufhin die Leuchten vom Auswärtigen Amt in Bern zusätzlich eine Politologin und eine Anglistin zur Unterstützung hierher sandten.«
»Keine Baufachleute?«, frage ich verwundert.
»Eben nicht!«, ärgert sie sich. »Als sich der Chefdelegierte des Roten Kreuzes immer heftiger über die lausigen Bedingungen beschwerte, entließ man ihn einfach. Das verursachte zwar ein leises Rascheln im Schweizer Blätterwald, änderte aber nichts an den Verhältnissen in Sri Lanka. Nach und nach tauchten zwar vereinzelte Baufachleute auf, aber ich schätze, dass auch heute erst rund zweihundert der geplanten tausendfünfhundert Häuser fertiggestellt sind.«
»Wahrlich kein Ruhmesblatt für unser Land und das IKRK«, sage ich.
»Es ist eine Schande. Ein Skandal! Empörend!«
»Und was hat dieser Trüeb dabei deiner Meinung nach falsch gemacht?«, frage ich weiter.
»Konkret ist es so, dass einem Projekt nur dann finanzielle Unterstützung zugesichert wird, wenn das Bauvorhaben bereits komplett ausgearbeitet ist. Das bedingt sowohl Bau- und Finanzierungspläne als auch Dutzende andere Urkunden. Zum Beispiel Nachweise, dass die künftigen Bewohner vor der Flutwelle überhaupt ein Haus besessen haben. Und dieses tatsächlich zerstört worden ist. Und wirklich alle Söhne ertrunken sind und so weiter.«
»Titus Trüeb entscheidet also, ob Gelder freigegeben werden?«, vergewissere ich mich noch einmal.
»Jawohl«, sagt Adrienne. »Und zwar selbstherrlich, ohne sich an die Vorgaben für die Gelderverteilung zu halten. In Unawatuna kursieren Gerüchte, dass die Verfahren mit Schmiergeld durchaus beeinflusst und beschleunigt werden können. Trüeb selbst residiert seit mittlerweile zwei Jahren im besten Haus des Ortes, leistet sich viel Personal und fliegt alle zwei Wochen erster Klasse in die Schweiz und zurück.«
»Woher weißt du das alles?«, frage ich sie erstaunt.
»Ich habe mich eingearbeitet«, meint sie bescheiden. »Außerdem habe ich wegen dieser Geschichte mittlerweile mit vielen Leuten in Unawatuna gesprochen.«
»Warum gebietet dem Kerl denn niemand Einhalt?«
»Ich bin ja dran. Aber es ist echt schwierig, mir läuft die Zeit davon.«
»Hast du Trüeb je persönlich gesprochen?«
»Ganz kurz nur. Er ließ mich nach der ersten kritischen Frage aus dem Haus werfen. Woher kennst du ihn denn?«
»Ich kenne ihn gar nicht«, erkläre ich ihr. »Ich weiß nur, dass er mit dem erschossenen Rainer Schütz Schach gespielt haben soll.«
Sie kräuselt ihre Stirn. »Vielleicht ist der ihm auf die Schliche gekommen und wurde darum beseitigt.«
Ich schaue sie an. Hoffentlich liegt sie falsch. Denn sonst stünde logischerweise auch sie auf der Abschussliste – und das wäre wirklich jammerschade.
»Es könnte doch sein, dass Schütz Beweise gegen Trüeb gesammelt hat. Oder nicht?«, beharrt sie auf ihrer Theorie.
»Warum sollte er dann mit ihm Schach spielen?«, wende ich ein.
»Eben deshalb! Um in sein Haus zu kommen. Lass ihn uns gemeinsam vorknöpfen, Fred!«
Ich weiß nicht so recht, ob mir die Idee gefällt. Adrienne ist
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