Staub Im Paradies
diesem Land ist leider nicht ganz frei von Irritationen und Missverständnissen. Um nicht zu sagen, unsere englischen Freunde …«
Müllers Kaffee schmeckt. Hervorragend sogar. Mag sich der Mann von mir aus weiter in höchsten Tönen selbst loben – Hauptsache, er hat noch mehr von diesem Gebräu. Ich nicke anerkennend zu Verasinghe hinüber, der meine Begeisterung allerdings nicht zu teilen scheint. Bei jedem Schluck verzieht er säuerlich das Gesicht. Als er verstohlen auf seine Uhr deutet, beschließe ich, Müllers Geplapper ein Ende zu machen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan.
»… beschäftigen hier zeitweise über zweihundertfünfzig Leute, denen wir anständige Löhne weit über dem Landesniveau zahlen, die sogar im Krankheitsfall weiter Geld bekommen, die …«
»Sie wollten uns Ihre Gewehre zeigen«, bringe ich ihn wieder auf die richtige Spur.
»Ach ja«, meint er irritiert und klatscht erneut nach der jungen Frau in Himmelblau.
Die riecht nach Vanille und räumt mit Umsicht das Kaffeegedeck weg, wobei sie die ganze Zeit fröhlich vor sich hin strahlt.
»Eine tolle junge Frau«, kommentiere ich ihren Eifer.
»Vidya? Auf jeden Fall! Sie ist eine wahre Perle!«
»Wie, sagten Sie, heißt das Mädchen?«, stottere ich.
»Vidya Talimpalam«, antwortet Müller unbeschwert. »Sie arbeitet hier schon zwei Jahre zu meiner vollsten Zufriedenheit. Ihre Ausbildung genoss sie übrigens zum Teil in der Schweiz. Die Hotelfachschule Belvoir in Zürich ist Ihnen sicher ein Begriff.«
»Sagt Ihnen der Name Rexon Nadesapilay etwas?«, falle ich ihm einmal mehr rüde ins Wort.
Ich bin perplex, denn was ich hier gerade zu hören bekomme, sprengt schlichtweg jeden Rahmen: Die Frau, die der in Zürich erstochene Rexon vor der Zwangsheirat retten wollte, arbeitet bei dem fidelen Herrn Müller als Servierdame! Ich kann es kaum fassen.
»Rexon? Na klar, der ist hier Vorarbeiter. Ein sehr, sehr loyaler Mitarbeiter, der aber leider nicht mehr von einem Besuch Ihres schönen Landes zurückgekehrt ist. Schade, denn …«
»Der Mann wurde erstochen!«, brülle ich ihn entnervt an.
Müller verzieht sein rundliches Gesicht, als habe er in einen sauren Apfel gebissen.
»Ach herrje, das ist aber unschön! Ich dachte immer, die gute, alte Schweiz sei geradezu ein Paradebeispiel in puncto Sicherheit.«
Vidya hat sich in die Küche zurückgezogen und ich sitze auf meinem Sessel und höre Müllers Worte wie durch einen Vorhang an mein Ohr plätschern.
Wir kamen hierher, um in der Mordsache Rainer Schütz weiterzuermitteln. Und stoßen unfassbarerweise auf neue Erkenntnisse hinsichtlich des Tamilenmordes in Zürich. Gut möglich, dass mein Hirn schwer gelitten hat unter der Hitze, dem Dünnschiss oder all den Mücken und Fliegen. Aber im Moment bin ich einfach völlig überfordert und schlichtweg nicht in der Lage, die überraschenden Informationen in meinem Kopf zu ordnen, um etwaige Zusammenhänge zu erkennen.
Ich bleibe sprachlos und bin heilfroh, als Verasinghe beginnt, sich in das Gespräch einzubringen.
»Wer ist denn eigentlich offiziell Kommandant der Truppe, die Sie bewacht?«, fragt er interessiert.
Müller betrachtet ihn verwundert. »Nun, General Premadasa natürlich, ein feiner Schachkollege und enger Freund von mir. Der Name ist Ihnen sicher bekannt.«
»Natürlich«, erwidert Verasinghe mürrisch.
»Ist Ihnen nicht wohl, Hauptmann Staub?«, wendet sich Müller an mich. »Der Kaffee war wohl doch etwas zu stark, verzeihen Sie mir!«
»Ihr Kaffee schmeckt hervorragend«, wiegle ich ab. »Mir schlägt allerdings auf den Magen, was ich hier alles zu hören bekomme.«
»Wovon sprechen Sie?«, fragt er naiv.
Ich könnte ihm eine scheuern. Aber vermutlich würde ich dann den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Dennoch kann ich mich nur mit Mühe beherrschen.
»Meine Kollegen von der Spezialabteilung Besondere Verfahren in Zürich glauben, dass Ihr Mitarbeiter Rexon nach Zürich geflogen ist, um zu verhindern, dass Ihre überaus anmutige Servierkraft mit einem Tamilen in der Schweiz zwangsverheiratet wird.«
»Genau so war das auch, lieber Herr Staub«, bestätigt mir Müller. »Sehen Sie, ich wollte Vidya nicht verlieren. Und auch wenn mir die Leute in der Schweiz nachhaltig nichts hätten anhaben können, so wollte ich die Angelegenheit doch in Anstand und Würde aus der Welt schaffen. Schließlich genieße ich hier in der Gegend einen, wie ich glaube, sehr, sehr guten Ruf.«
»Das Mädchen ist
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