Staub Im Paradies
Ihre Freundin? Liebhaberin?«, entsetze ich mich.
Müller schweigt ausnahmsweise und kratzt sich nur vieldeutig an seinem Bärtchen.
Ich spüre, wie ich in die alte Schwere zurückfalle. Das arme Kind. Der Altersunterschied muss mindestens zwanzig Jahre betragen. Widerlich. Wenn auch nicht strafbar – leider. Denn achtzehn dürfte die Kleine schon sein.
»Ihre Gewehre?«, äußert sich Verasinghe verhalten.
»Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«, ignoriert ihn Müller, indem er mir weiter ins Gesicht starrt.
Ich spare mir eine Antwort und zünde mir stattdessen eine Muratti an. Ob ich das in diesem musealen Raum überhaupt darf, kümmert mich in diesem Moment kein bisschen.
Müller scheint es egal zu sein. Er klatscht nur ungerührt in die Hände, woraufhin sofort Vidya hereinschwebt und einen Aschenbecher vor mich stellt.
»Did you know Rexon?«, frage ich sie direkt.
»Sure. He was working here«, antwortet sie höflich, entschwindet aber sofort wieder, bevor ich sie weiter bearbeiten kann.
»Spielen Sie zufälligerweise Schach?«, will Müller von mir wissen.
»Zum Teufel, nein! Ich trainiere meine grauen Zellen mit konkreteren Problemen.«
»Mit Golfspielen vielleicht?«
»Mit ungelösten Mordfällen.«
»Haha. War ein kleiner Scherz von mir«, klopft sich Müller auf die Schenkel. »Obwohl Golf natürlich auch ein sehr faszinierendes Spiel ist.«
»Klar. Ungemein«, gähne ich ihn an.
»Sicher kennen Sie nur wenige unaufgeklärte Verbrechen«, wechselt er das Thema. »Sie sollen ja echt gut sein, wie ich höre. Das Rätsel um diesen Wirrkopf mit dem Schwert und die Lottogeschichte haben Sie jedenfalls souverän gelöst.«
Das Arschloch weiß einfach alles von mir. Genau wie der verfluchte General Premadasa. Ich komme mir vor wie eine Marionette, die hilflos an unsichtbaren Fäden zappelt. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob man mich hier nicht gezielt in die Irre führt. Denn was weiß ich, ob die Schönheit in Blau wirklich die gesuchte Vidya ist?
Müller spielt seit zig Minuten den liebenswerten Clown – vielleicht hält er uns einfach zum Narren. Auf jeden Fall glaube ich unter all seiner aufgesetzten Fröhlichkeit noch etwas anderes wahrzunehmen. Verunsicherung? Nervosität?
»Ist es nun möglich, Ihre Gewehre zu besichtigen, oder nicht?«, bringe ich mich wieder in das Gespräch ein.
»Aber bitte, sehr gerne!«, tönt es frohgemut zurück. »Wie Sie sehen werden, besitze ich eine recht beeindruckende Sammlung von Schießprügeln aus allen erdenklichen Epochen.«
Ich hieve mich aus dem Sessel und Verasinghe und sein Kollege tun es mir nach. Müller watschelt uns dauerschwafelnd voran durch einen schachbrettartig mit Marmorsteinen ausgelegten Gang, bis wir zu einer mit schweren Schlössern gesicherten eisernen Tür gelangen. Als der Hausherr sie öffnet, strömt uns warme, trockene Luft entgegen. Wir betreten ein in den Berg geschlagenes Gewölbe, das beleuchtet und offensichtlich auch ausreichend belüftet ist. Dennoch wirkt die Szenerie unheimlich, wir werfen lange Schatten unter den Glühbirnen. Den Gedanken, dass das Licht ausgehen und zufällig die Tür ins Schloss fallen könnte, empfinde ich als äußerst unangenehm.
Die Waffenkammer entpuppt sich als wahre Fundgrube. Müller besitzt alles, von einem uralten englischen Karabiner bis hin zu russischen Panzerfäusten. Schön abgestaubt und dekorativ ausgestellt.
»Prachtvoll«, murmle ich beeindruckt und fasse eine Glasvitrine ins Auge, die voller Gewehre hängt.
»Mein Sohn hat viel Freude an alten Knarren«, sagt Müller und überrumpelt mich damit ein weiteres Mal.
»Sie haben einen Sohn?«
»Genau wie Sie, lieber Herr Staub«, entgegnet er mir. »Ich glaube, die beiden sind sogar ungefähr im gleichen Alter. Nicht immer einfach, diese jungen Leute, besonders mein Frank, der …«
»Können Sie mir sagen, was für Gewehre das sind?«, übergehe ich sein Geschwätz und deute auf den Glaskasten.
»Oje«, seufzt er theatralisch. »Da bin ich überfragt! Ich kenne nur einen Teil der Waffen. Die zweite von links etwa ist eine russische AK 74 Draganov, das daneben könnte eine Remington 700 sein. Das ganz rechts ist wohl ein britisches G22, daneben erkennen Sie sicher das schweizerische Sturmgewehr 90, und ganz hinten …«
Ein G22. Mir stockt kurz der Atem. Was läuft hier eigentlich ab? Strich hat doch gesagt, das Gewehr sei außerordentlich selten. Und ausgerechnet Müller soll zufälligerweise eins besitzen?
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