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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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hat?“
    „Ich weiß nicht. Nein. Eigentlich nicht.“
    Mirjam nagte an der Schokolade. Ein Wille, der alles andere unterjocht … Sie erinnerte sich an den Hass, den sie damals in der Gasse verspürt hatte. Wie sehr sie sich wünschte, ihren Peinigern würde Leid zugefügt werden. Viel Leid. Und mit welchem Blick Max sie in diesem Moment angeschaut hatte, als bäte er sie, es nicht so weit kommen zu lassen. Sie erinnerte sich an die Schneeinsel und daran, wie sie ihn bedrängt hatte. Und wie er versucht hatte, sich ihr zu entziehen.
    Mirjam! Hör auf. Bitte. Es ist kein Spiel
.
    Dann hast du keine Wahl. Ich will dich. Hörst du?
    Er hatte in der Tat keine Wahl gehabt. Ihr Wille stand über dem seinen.
    Angewidert warf sie die Schokolade fort. Die Flammen aus den Erdrissen irrten sich. Sie war viel schlimmer, als einfach nur eine Hure.
    „Ich muss zu ihm“, hauchte sie, rappelte sich hoch und lief aus dem Zimmer, noch bevor die anderen einen Laut von sich geben konnten.
    Im Flur legte sie ihr Ohr an Max’ Tür. Kein Ton drang heraus. Sie klopfte zaghaft, doch es kam keine Antwort. Sie drückte auf die Klinke, während durch ihre Gedanken die Rilke-Zeile wirbelte: Ein jeder Engel ist schrecklich.
    Das Schloss klackte leise, als sie sich mit dem Rücken gegen die Tür lehnte. Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, bis sie die Umrisse der Möbel erkennen konnte. Max saß im Schneidersitz auf dem Fußboden, den Rücken gegen das Bettende gelehnt und den Kopf gesenkt. Mirjam machte einen Schritt auf ihn zu.
    „Du solltest lieber gehen.“
    Der Klang seiner Stimme wob einen unsichtbaren Strick um ihre Glieder. Sie wagte einen weiteren Schritt. „Daniel sagt, du bist ein Engel.“
    „Und ich habe gesagt, du sollst gehen. Oder hat dir Daniel nicht erzählt, was im Kloster vorgefallen ist?“
    Sie ging noch ein Stück näher. „Du bist Metatron, hab ich Recht?“
    Er hob ruckartig den Kopf und für einen Moment flammte in seinen Augen Feuer auf.
    „Wird das morgen in der Zeitung erscheinen?“
    Sie trat heran. Nun erkannte sie das Foto seiner Mutter, das er in seinem Schoß hielt. „Ich gehe nicht fort. Deine Mutter hat dich geliebt. Es war ihr egal, wer du bist. Mir ist es …“
    „Was“, korrigierte er. „Engel sind keine Lebewesen.“
    „Hör auf. Ich weiß, es war gerade ein wenig zu viel für dich.“
    „Wie schade, dass ich keinen Psychiater kenne, der auf Engel in Identitätskrisen spezialisiert ist.“
    Mirjam stöhnte. Am liebsten hätte sie ihn gepackt und heftig durchgeschüttelt. „Max, du wolltest etwas über deine Vergangenheit wissen. Jetzt weißt du es und kannst damit abschließen.“
    „Für mich gibt es keine Vergangenheit. Als Mensch war ich glücklich gewesen, auch wenn meine heile Welt nur eine Attrappe war.“
    „Na, wenigstens Gefühle scheinst du zu haben.“
    „Oh ja. Ich war der Erste mit Gefühlen. Und der Letzte. Es ist eindeutig eine Fehleigenschaft.“
    Sie gab ihm einen Klaps. „Schluss damit. Wenn du vorhast, in Selbstmitleid zu ertrinken, dann bitte nachdem wir die Sache mit Friedmann zu Ende gebracht haben. Bis jetzt warst du es, der uns zusammengehalten und Hoffnung gebracht hat.“
    „Ist ja auch mein Job. Den Menschen Hoffnung zu geben. Natürlich, wenn ich nicht gerade damit beschäftigt bin, einige von euch zu töten.“
    Sie ließ sich vor ihm nieder. Mit beiden Händen umschloss sie seinen Kopf und drückte sein Gesicht nach oben. „Warum bist du hier?“
    „Es gibt noch eine Menge Dinge, die entweder durcheinander sind oder an die ich mich nicht erinnern kann. Schon kurios, nicht wahr? Ein Engel mit Höhenangst und Gedächtnislücken.“ Er wollte sich ihr entziehen, doch sie ließ ihn nicht los.
    „Ich weiß, was wir tun werden. Vielleicht hatte RaMChaL wirklich die Thora entschlüsselt. Aus ihr erfährst du, warum du hier bist.“ Sie lächelte ihn an. „Etwas Gutes hat das Ganze schon. Wenigstens wird Daniel jetzt aufhören, dich Jesus zu nennen.“
    „Wird er nicht. Ich wurde damals zur Erde gesandt, um den Menschen die Einigung mit dem Schöpfer anzubieten. Ich sollte sie auf den rechten Weg bringen und dazu bewegen, den Einen anzuerkennen und ihm zu dienen. Sie haben mich abgewiesen.“
    Mirjam wich zurück. Tausend Fragen drängten sich in ihren Kopf, doch über die Lippen brachte sie nur eine: „Also das mit Maria …?“
    Max schwieg. So lange, dass Mirjam glaubte, er würde ihr nicht mehr antworten.
    „Ich habe sie geliebt.“

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