Staub zu Staub
Mitglied der Kom-mission für die Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden und hat alle Schriften und Dokumente erforscht, die wir haben.“ Sie schaute ihn leicht schräg an. „Hat Ihnen schon jemand gesagt, dass sie einem Geiger sehr ähneln? Ich liebe Klassik!“
„Das höre ich öfter“, erwiderte er trocken. „Wo finden wir den Professor?“
Ihre Lippen verzogen sich zu einer Linie. Sie ließ ihren Anhänger fallen, die Freundlichkeit wich aus ihrem Gesicht. „Im Stadtarchiv, in der Bibliothek des jüdischen Museums, an der Universität – im Prinzip überall, wo es alte Schriften gibt.“
Ah ja“, sagte Mirjam. „Und wo würden wir jetzt Professor Berger am wahrscheinlichsten antreffen?“
Die Frau blätterte eine Seite um. „An der Universität, vermutlich.“
„Wo ist das genau?“
„Bin ich seine Sekretärin?“ Die Blonde verdrehte die Augen. „Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Dantestraße 4-6. Fachbereich 9, Seminar für Judaistik.“ Ein älterer Mann mit einem Kind trat ins Foyer. „Eintritt zwei Euro, ermäßigt – ein Euro“, ratterte sie herunter, noch bevor die beiden Besucher die Tür hinter sich geschlossen hatten.
Mirjam und Max kehrten zum Auto zurück.
„Was war denn das?“ Sie schüttelte den Kopf. „Zuerst dachte ich, sie wird dir gleich die Kleider vom Leib reißen und dich an der Theke rannehmen, dann zeigte sie dir die kalte Schulter.“
„Tja, es ist nicht immer einfach. Du glaubst gar nicht, wie viele meinen, unbedingt in meinem Bett landen zu müssen.“
„Und wie viele vor mir haben es schon geschafft?“
Er legte den Gurt an. „Keine.“
„Du meinst … ich war die Erste?“
„Ja.“
Sie knabberte an ihrer Unterlippe. Sollte sie ihm die Frage stellen, die sie so lange quälte? „Und was ist mit Maria?“
Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. Eine Weile starrte er schweigend durch die Windschutzscheibe. „Da war nichts.“ Er schüttelte den Kopf und gab die Adresse in das Navigationssystem ein. „Na schau mal, es ist nicht so weit. In zehn Minuten sind wir da.“
Die Dantestraße war klein, mit drei Häusern auf der rechten und nicht viel mehr Bauten auf der linken Seite. Max hielt seinen Wagen auf der Parkinsel in der Mitte der Straße. Das Büro des Professors befand sich im 4. Stock. Max klopfte an, doch keiner antwortete. Sie wollten gerade eine Sekretärin aufsuchen, als ein dürrer Mann Ende fünfzig den Korridor betrat.
„Suchen Sie mich?“, fragte er und holte einen Schlüsselbund aus seiner Hosen-tasche.
„Sind Sie Professor Berger?“, erkundigte sich Max.
„Professor Dr. Dr. Berger. Womit kann ich Ihnen dienen?“
„Im Museum Judengasse wurden Sie uns empfohlen als Experte für alte Schriften und der Geschichte der Frankfurter Juden.“
Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Er öffnete die Tür und machte eine einladende Geste. „Sie brauchen mir nicht zu schmeicheln. Worum geht es?“
An den Wänden links und rechts erstreckten sich Regale mit Büchern und Ordnern. Ein aufgeräumter Tisch, wo alles nach Größe sortiert war, stand vor dem Fenster. Hinter den vergilbten Gardinen blühten drei Kakteen. Der Professor knöpfte sein Tweed-Jackett auf.
„Was wollen Sie wissen?
„Etwas über Moses Kann. Hätten Sie kurz Zeit?“
Berger schaute auf seine Uhr, verglich die Zeit mit der an der Wand und stellte seine Zeiger neu ein.
„In fünfzehn Minuten habe ich eine Lesung.“
„Es dauert nicht lange. Ich weiß, dass er eine Thora hatte …“
„Sicherlich hatte er eine. Er war ein Rabbiner und unterrichtete im Lehrhaus.“
Max nickte. „Mich interessiert, wo die Rolle jetzt ist. Wissen Sie etwas darüber?“
„Nun, wie erwähnt, er unterrichtete Talmud und sicherlich hat er auch die Thora studiert. Sie gehörte in die Klause. Nach seinem Tod wurde sie der Hauptsynagoge übergeben. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden sehr viele jüdische Schriften zerstört, das ist Ihnen sicherlich bekannt. Die geschändeten Rollen wurden meistens beerdigt.“
„Die von Moses auch?“
„Ja.“ „Wo?“
„Auf dem jüdischen Hauptfriedhof, hier in Frankfurt.“ Er zog einen der Ordner aus dem Regal und blätterte darin. Schließlich holte er ein Foto aus einem Folienumschlag. „Das habe ich für die Dokumentation fotografiert.“ Er zeigte Max das Bild, versteckte es gleich wieder und sah auf die Uhr. „Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.“
„Danke für Ihre Hilfe.“
Max
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