Staub zu Staub
…
Daniel kam näher. Die Flamme seines Feuerzeugs zuckte und wurde kleiner, das Benzin schien auszugehen.
„Könntet ihr bitte das Gesülze auf später verschieben? Was mich interessiert: Haben wir die Apokalypse aufgehalten oder nicht?“
Max legte seine Handfläche auf das Feuer, erstickte es. Als er die Hand wegnahm, flammte es heller und größer auf.
„Nein. Wie hättet ihr das gekonnt? Es war schließlich mein Werk.“
„Und man kann jetzt nichts dagegen tun?“
„Doch. Alle Menschen müssen ihre Fehler einsehen, den Einen anerkennen und bereit sein, ihm zu dienen.“ Die Flamme spiegelte sich in seinen Augen. Sie spiegelte sich nur darin, brodelte nicht in Wut wie die in den Augen des Drachens. Max lächelte dem Feuer zu, als hätte er endlich Frieden gefunden, würde mit der Vergangenheit abschließen, leidmütig, aber bestimmt, und sich vor einem unsichtbaren Zuhörer entschuldigen. „Oder ich bringe das in Ordnung.“
Halte ihn auf. Noch kann er zurück
, raschelte die Stimme.
Noch wird der Herr ihm verzeihen. Oder er wird ewige Qualen erleiden
.
„Max, das darfst du nicht tun. Wenn das der Wille des Ewigen war, dann kannst du dich nicht gegen ihn stellen. Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Das werde ich nicht ertragen können. Bitte, geh zurück!“
In seiner Ecke gluckste Tilse und klatschte in die Hände. „Ja, ja. Wisst ihr, einmal wollten Ben Azzai, Ben Zoma, Aher und Akiva …“
„Nein.“ Max strich ihr über die Wange. „Du hast mir den Freien Willen geschenkt, die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen. Diese Welt liegt mir am Herzen. Sie aufzugeben bin ich nicht bereit.“
„Meine Güte“, Daniel grinste, „du redest schon wie mein Vater.“ Seine Haltung versteifte sich und im nächsten Moment stürmte er zu Max. „Mein Vater. Max! Bitte, gib ihn mir zurück!“
Sein Blick schweifte zu dem Mann in der Ecke. Ein sanfter Blick, ohne Hass. „Dani. Ich hab dich wirklich gern, aber dein Vater hat siebzehn Jahre lang versucht, mich umzubringen. Ganz ehrlich, so weit reicht nicht einmal meine engelhafte Barmherzigkeit.“
„Bitte, vergib ihm, wie du mir vergeben hast. Er ist mein Vater. Okay, ich war nicht gerade der Sohn seiner Träume und er hat sich nicht sonderlich um mich gekümmert, aber es gab Augenblicke - ja, ich weiß, schon vor Ewigkeiten, aber die gab es - wo er für mich da war und mir geholfen hat, wenn ich nicht weiter wusste. Und allein für diese Augenblicke …“
„Ich kann ihm vielleicht das Leben geben, aber ich kann keinen besseren Menschen aus ihm machen. Wenn er sich nicht ändern will, wird es bei diesen Augenblicken bleiben.“
Daniel rutschte vor ihm auf die Knie. „Ich flehe dich an.“
„Das lässt du schön bleiben.“ Max zerrte ihn auf die Beine. „Es gibt nur Einen, den du anbeten sollst. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Ja. Entschuldige.“
Max seufzte. „Okay. Ich werde ihm noch eine Chance geben, und hoffe, er wird sie nutzen.“
Kristin hob den Zeigefinger. „Nur für alle Fälle: Was müssen wir tun, falls du wieder ausflippst?“
„Das wird nicht passieren. Für meine Aufgabe habe ich viel Kraft bekommen. Ich verspreche sogar, nicht umzukippen.“
Er nahm das Messer von Daniel und löste den Verband um Friedmanns Oberschenkel. Mit der Klinge schnitt er sich in seine Handfläche und führte die Faust über den Toten. Blut tropfte auf die Schusswunden und in Friedmanns Mund.
„Kether.“
Mirjam ließ sich neben ihm nieder, schloss die Augen und berührte seine Hand. Durch die Finger stieg Wärme ihren Arm hoch und erfüllte ihr Wesen. Sie löste sich von dem Irdischen und schwebte durch das Nichts, bis Max aus der Finsternis erschien. Mit ihrem ganzen Willen strebte Mirjam zu ihm, auch wenn sie sich kein Stück fortbewegte.
Ich liebe dich
.
Ich habe wohl eine Angewohnheit, es dir zu sagen, wenn du es nicht mehr hören kannst. Max, ich liebe dich
.
Ich weiß
. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
Schließlich kann ich dich auch spüren. Wie du mich. Ich will dir auch einen Teil von mir schenken - mein Licht. Hüte es, so wie ich den Teil von dir in mir hüte. Und verwende es mit Bedacht, denn es kehrt nicht zurück
.
Mit einem warmen Windhauch drang er in sie ein, durch jede Pore ihres Körpers, und sie löste sich darin auf. Zu einer Einheit verschmolzen, schwebten sie zusammen, zerstreut durch das ganze Universum, getragen von wiegenden Wellen. Sie waren überall zugleich und in jeder
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