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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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schnappte nach Luft. Wie ein Kartoffelsack kippte er auf die Seite und erzitterte in einem Krampf. Auf seinen Lippen schäumte Speichel. Die Lider flackerten und er erbrach sich. Zu dem Geruch des Rauchs mischte sich der säuerliche.
    Auch Max atmete tief durch. Wie nach einem langen Schlaf blinzelte er und reckte den Hals.
    Daniel flüsterte: „Haben wir es aufgehalten?“
    Tilse rollte auf den Rücken, kicherte und blähte Speichelblasen auf seinen Lippen, die vom Erbrochenen verschmiert waren. „Ben Azzai, Ben Zoma, Aher und Akiva“, gluckste er wie ein Kleinkind, „begaben sich einmal in den Garten des Herrn. Ja, ja. Sie gingen also dahin …“ Das Gekicher verschlang einen Teil seiner Worte. „Naja, sie gingen nicht wirklich. Es war so. Sie wollten ihren Geist in den Prades schicken …“
    Daniel berührte Max’ Schulter. „Hey. Ist alles in Ordnung mit dir?“ Mit dem Feuerzeug beleuchtete er Max’ Gesicht.
    Mirjam rutschte hinter Kristins Rücken. Ihr Herz pochte wild, während sie beobachtete, wie Max den Kopf hob und murmelte: „Es wäre wirklich nett von dir, wenn du mich losbinden würdest.“
    „Wenn du versprichst, keinen zu töten und so. Ich habe noch nie den Teufel befreit, verstehst du? Es macht mich etwas nervös.“
    „Oh. Neuigkeiten verbreiten sich hier rasant. Wieso glauben alle, ich will unbedingt jemanden töten? Ich habe meine Aufgabe erfüllt.“
    „Okay. Wenn du das sagst.“ Die Flamme in seiner Hand flackerte, als er über den Boden tastete. „Ah. Da ist es.“ Etwas klimperte. Er hob das Messer, zögerte einen Moment und schnitt die Fesseln durch.
    „Danke.“ Max rieb sich die Gelenke. Er sah müde aus und seltsam gebrochen. „Es ist soweit.“
    Sein Blick streifte Mirjam. Ja, es war soweit. Ihre ganz persönliche Apokalypse. Wie schrecklich mochte der Zorn eines Engels sein? Entsetzlich lange Sekunden lauschte sie Tilses Gekicher und den Atemgeräuschen, die Daniel und Kristin von sich gaben. Ohne es länger aushalten zu können, trat sie ihm entgegen. Er wich hinter den Stuhl, als bräuchte er eine Barriere, die ihn vor ihr schützte.
    „Warum? Warum bist du hierher gekommen, warum tust du mir das an?“
    Sie verabscheute sich selbst. Die Flamme des Feuerzeuges ging aus und verbarg damit ihr Elend vor ihm. Zwei Mal klackte es metallisch und Mirjam fürchtete, Max nicht mehr zu sehen, wenn das Licht wieder anging, ihn an die Stimmen zu verlieren, die nach ihm verlangten.
    Aber er stand da und stemmte sich gegen die Stuhllehne. Ein zerknitterter Falter, dem sie die Fähigkeit zu fliegen genommen hatte.
    „Max …“ Mit offenen Händen schritt sie auf ihn zu, als könne sie den Sturz des verletzten Schmetterlings abfangen.
    „Lass mich, bitte.“ Er sank am Stuhl in die Knie und vergrub sein Gesicht in der Armbeuge. „Was habe ich dir getan, dass du mich so quälst?“ Er sah auf und wieder redete er nicht mehr mit ihr: „Warum habt ihr sie hierher gelassen? Ihr wisst doch, dass ich … dass ich so nicht kann.“
    Mirjam spürte einen Kloß im Hals. Sie ließ sich neben ihm nieder: Nur wenige Zentimeter entfernt, die ihn für sie unerreichbar machten. Eine unsichtbare Kraft schien sie auseinander zu zerren, ihn in seine Welt, und sie in ihre. Aber was war schon ihre Welt ohne sein Licht? Möge es sie auch verbrennen.
    Sie berührte sein Haar. Er zuckte zusammen und gleich spürte sie seine Arme um ihre Taille und wie er den Kopf gegen sie lehnte. „Ich wünschte, ich könnte fortgehen. Fort von dir“, flüsterte er. „Und wenn ich dich nicht mehr sehe, nicht höre, nicht rieche, könnte ich wieder existieren, sobald deine Seele aus mir herausgerissen wird, wäre ich wieder unbefleckt und dem Ewigen geweiht. Aber nur mit dir kann ich leben.“ Er verstummte für einen Moment. „Und fliegen, ohne Flügel zu haben.“ Tränen rollten über ihre Wangen und wuschen sie rein. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange und seine Stimme, die sie ausfüllte: „Bitte, verlass mich nicht.“
    Sie strich über sein Haar. Natürlich nicht. Wie könnte sie auch einen Teil ihrer Seele zurücklassen? Wie könnte es etwas im Universum geben, das in der Lage war, sie zu trennen?
    Doch das gab es. Und es fuhr einem Kältezug gleich unter ihre Haut.
    Mirjam …
    Lass ihn gehen …
    Oder er wird ewige Qualen erleiden. Der Zorn des Herrn ist niederschmetternd
.
    Sie umarmte Max fester. Nein, es war unfair! Hatte er nicht genug gelitten?
    Qualen … Für immer. Und Ewig. Und alle Zeit

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