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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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Oder?“
    Bestimmt überlegte er, sie beide aus der Wohnung zu werfen. Kristin befingerte den Kragen ihrer Bluse und starrte ihm Löcher in den Rücken, während er zu den Bücherschränken schlenderte, die Goldene Stimmgabel nahm und den Preis hinter einer Schranktür verstaute.
    Bitte hilf uns!
, bat Mirjam ihn in Gedanken. Es fehlte ihr der Mut, es laut auszusprechen.
    Er zog die Augenbraunen zusammen, machte einige Schritte durch das Zimmer. Schließlich fummelte er am Verschluss seines Kettchens, an dem ein kleines Kreuz baumelte, und ließ es wortlos auf die Glasoberfläche des Couchtisches gleiten. Kristin nahm den Anhänger, drehte ihn um und schnaubte.
    „Ach du grüne Neune, wo hast du das denn her?“
    Mirjam lugte ihr über die Schulter. Die Gravur. Im vierten Buchstaben lief die vertikale Schrift ‚Inter spem’ mit der horizontalen ‚et metum’ zusammen.
    „Ich habe gehofft, ihr werdet es mir sagen.“
    „Wie meinst du das?“ Kristin gab ihm das Kettchen zurück.
    „Ihr wisst nicht viel über mich, oder?“ Mit dem Daumen strich er über das goldene Kreuz.
    Kristin zuckte mit den Schultern. „Nur das Übliche. Geburtsdatum, Schule, Karriere. Was man im Internet so findet.“
    „Welches Geburtsdatum?“
    „Zwölfter März …“
    „Nein. Am zwölften März fing für mich dieses Leben an, aber geboren wurde ich da nicht. Vor siebzehn Jahren bin ich im Universitetsjukhus in Örebro aus dem Koma aufgewacht.“ Er legte das Kettchen um seinen Hals. Den Verschluss zu schließen, gelang ihm nicht sofort. „Die Ärzte wollten bereits die lebenserhaltenden Geräte abschalten, weil ich angeblich hirntot war. Wie sagt man so schön? Wenn ein Patient wirklich leben will, ist die Medizin machtlos. Der Kreuzanhänger war alles, was ich bei mir hatte.“
    „Was war denn passiert?“ Vor ihrem inneren Auge stellte Mirjam sich ein Kind zwischen all den Infusionsschläuchen vor und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Wie alt mochte er damals gewesen sein?
    „Dissoziative Amnesie ist eine nette Beschreibung dafür, dass ich ein Loch im Gedächtnis habe.“ Er bemühte sich um ein Lächeln. „Dafür kann ich mir merken, was Rilke in den Briefen an Witold Hulewicz geschrieben hat.“
    „Ach du meine Fresse!“ Kristin legte eine Hand an ihren Mund. „Vor siebzehn Jahren wurde Preschkes Kirche geschlossen, danach quittierte er seinen Dienst und fing mit dem Trinken an.“
    „Was wusste euer Pater über mich?“
    „Direkt hat er dich nie erwähnt. Nur deine Vier Jahreszeiten.“
    Er nippte an seinem Kaffee. „Nigel Kennedy spielt auch hervorragend die Vier Jahreszeiten.“
    Mirjam starrte auf die Tasse. Wie konnte er diese süße Brühe nur trinken?
    „Zucker!“, entfuhr es ihr. „Er wusste von deiner Zucker…sucht.“ Sie berührte Kristins Arm. „Hast du nicht gesagt, da war jemand bei Preschke? Am Tag seines Todes?“
    „Der Priester?“
    „Er suchte doch jemanden. Einen Jonas oder Jonathan.“ Sie wandte sich dem Geiger zu. „Ich meine: Wer hat dich überhaupt Maximilian genannt?“
    „Die Behörden. Der zwölfte März ist der Namenstag für Maximilian.“
    Mirjam sprang auf. „Wie auch immer. Die Typen haben einen Pater ermordet! Und von den Jahreszeiten wissen sie bestimmt auch schon!“
    „Ermordet?“ Seine Hand zuckte, die Tasse rutschte vom Unterteller und zer-brach auf dem Tisch. Die braune Flüssigkeit kroch um die Porzellanscherben. „Ett sådant elände!“
    Er sammelte die Scherben in seine Handfläche und ging aus dem Zimmer. Mirjam eilte ihm hinterher.
    „Ich bin mir sicher, dass Preschke dich kannte! Und was denkst du, wie lange die Typen brauchen werden, um dich zu finden?“
    Er öffnete die Tür unter der Spüle und warf die Scherben in den Mülleimer. „Der Herr ist mein Hirte“, erwiderte er leise und fasste an sein Kettchen. „Mir wird nichts mangeln.“
    Seine Stimme klang zuversichtlich. Während Mirjam in seinen Augen forschte, fühlte sie sich beschämt, dort so viel Vertrauen auf den Willen des Herrn zu finden, das sie nicht immer in sich verspürte.
    Auf der Schwelle erschien Kristin. „Leute, ich möchte euer Tête-à-Tête nicht stören, aber da tropft gerade der Kaffee auf den teuren Teppich und das gibt ganz miese Flecken.“
    Er seufzte und nahm einen Lappen von der Edelstahlspüle. „Oh je. Mit dem Kurzzeitgedächtnis habe ich wohl auch ein Problem.“
    Zusammen mit Kristin verließ Mirjam das Haus und schlenderte zum Wagen. „Dumm, dass er nichts

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