Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
Vom Netzwerk:
einstufte, würde sie sich das Autofahren gar nicht mehr leisten können. Sie schaute sich um. Niemand war zu sehen. Bevor Kristin näher kommen konnte, rief sie:
    „Glück gehabt, ist nichts passiert!“, und fügte in Gedanken hinzu: Ist ja nur ein Kratzer.
    Mirjam eilte auf das fünfstöckige Altbauhaus zu, in dessen Bogenfenstern sich die Sonne spiegelte. Vor dem Eingang spähte sie durch die Türscheibe. Ein verziertes Geländer schmückte eine breite Treppe. War es Marmor? Nur der rote Teppich fehlte und ein Concierge, der ungebetene Gäste abwimmelte.
    „Da!“ Kristin drückte auf die Klingel neben dem Messingschildchen ‚Helmgren’. Kaum einige Sekunde später summte die Tür.
    Der blumige Duft eines Reinigungsmittels wehte ihnen entgegen. Der Boden glänzte, wie Mirjam zugeben musste, entschieden sauberer als in ihrer Küche. Eine Türklinke knackte und der Geiger kam ins Treppenhaus. Seinen Smoking vom Vorabend hatte er gegen eine schwarze Bügelfaltenhose und ein hellblaues Hemd eingetauscht, was seiner Eleganz keinen Abbruch tat. Der oberste Knopf stand offen und um seinen Hals glitzerte ein goldenes Kettchen.
    „Schön, dass Sie kommen konnten.“
    „Erdgeschoss?“ Kristin grinste. „Und ich war schon so sehr auf ein Penthouse gespannt.“
    „Ein Penthouse mit meiner Höhenangst? Das wäre ja spaßig. Mir wird schon ganz anders, wenn ich auf einen Stuhl klettern muss.“ Er lächelte und machte eine einladende Geste. „Wollen Sie trotzdem reinkommen?“
    Mirjam säuberte ihre Schuhsohlen auf dem Fußabtreter. Quer über die Matte prangte gelbe Schrift: ‚Min hus är min fästning’.
    „Mein Haus – meine Festung“, übersetzte der Musiker, noch bevor sie die Frage aussprechen konnte.
    Seine Stimme und sein Blick rutschten hinunter wie ein Schluck Almonetta, den ihre Mutter im Wandschrank hütete. Mirjam erinnerte sich, wie sie mit zwölf auf einen wackeligen Hocker geklettert und am Mandellikör genippt hatte, wohl-wissend, wie viel Ärger sie bekommen würde, wenn ihre Eltern davon erführen. Tja, der Likör war wenigstens koscher.
    Ohne den Musiker direkt anzusehen, trat Mirjam über die Schwelle in den breiten Flur. Bordeauxrote Tapete kleidete hohe Wände, im goldorangenen Ha-logenlicht schimmerte Parkettboden.
    In einem mannshohen Spiegel sah Mirjam eine unendliche Reihe ihrer Abbilder, die sich irgendwo in der Ferne verloren. Ihre kleine dünne Figur – ein Strich in der Landschaft, würde ihre Mutter sagen. Das blasse Gesicht mit großen braunen Augen. Die Schatten darunter vermochte nicht einmal die Schminke zu kaschieren. Was hatten die letzten Tage bloß aus ihr gemacht?
    Mirjam drehte sich um und wurde sich des zweiten Spiegels bewusst, welcher für dieses Unendlichkeitsspiel verantwortlich war.
    „Kommen Sie ins Wohnzimmer“, erklang die Stimme des Geigers neben ihr.
    Mirjam atmete tief ein. Er roch nach einem Hauch von Kokos, leicht, fast nicht wahrnehmbar. Noch einmal sog sie die Luft ein. Kristin kicherte.
    „Genug geschnuppert?“
    Hitze schoss Mirjam ins Gesicht. „Ich wollte nur wissen, was das für ein Parfüm ist“, murmelte sie und griff nach dem unteren Ende ihrer Strickjacke, das ihr auch keinen Halt bieten konnte.
    „Gar keins“, erwiderte er. Im Wohnzimmer erstreckten sich an den Wänden Schränke und Regale aus Kirschholz, wodurch der Raum das Flair einer englischen Bibliothek ausstrahlte. Ein weinroter Teppich mit einem schwarzen Muster aus geschwungenen Linien kitzelte ihre Füße. „Kaffee? Tee?“
    Mirjam verneinte dankend und ließ sich auf den Rand des rabenschwarzen Sofas nieder. Wie ein Schulmädchen legte sie die Hände in ihren Schoß und betrachtete das Glastischchen, das eine matte Verzierung in Flügelform schmückte.
    „Kaffee. Mit Milch, wenn’s geht. Und – hast du Kekse?“ Kirstin lief rot an, wobei sogar ihre Sommersprossen darin untergingen. „Ich meine, haben
Sie
ein paar Kekse oder so?“
    „Du kannst mich ruhig Max nennen. Und wenn wir schon dabei sind: Darf ich vielleicht auch eure Namen erfahren?“
    „Kristin. Und die Zwergmaus da ist Mirjam.“
    Mirjam sah, wie seine schwarzen Augen heiter glänzten. Zwergmaus! Es gab Momente, in denen sie Kristin erwürgen könnte.
    Er verbeugte sich spielerisch. „Sehr erfreut. Damit erkläre ich den offiziellen Part als abgeschlossen und gehe Kekse organisieren.“
    Kurz nachdem er aus dem Zimmer verschwunden war, hörte Mirjam den Kaffeeautomaten surren. Kristin schlenderte an den

Weitere Kostenlose Bücher