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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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Wald. Kiefern blickten auf das Menschenwerk herab, knarrten und rauschten, als läster-ten sie über dieses Eindringen in die Natur.
    Tilse parkte seinen Wagen vor der Klostermauer, die Motorhaube dicht an einem Holunderstrauch, um beim Aussteigen die Tür nicht an den Bäumen zu verbeulen.
    Nachdem er auf den Klingelknopf gedrückt hatte, dauerte es mehrere Minuten, bis das Schloss rasselte und die Eisentür einen Spalt nach innen schwenkte. Dahinter erschien ein Mann in einer dunkelbraunen Kutte. Die Kapuze verbarg sein Gesicht, aber auch ohne sie hätte Tilse ihn nicht wiedererkannt. Die Kloster-brüder glichen einander wie am Fließband hergestellt. Wegen der rasierten Köpfe nannte er sie heimlich ‚Schädel’.
    Wie viele hier lebten, vermochte er nicht zu schätzen, genauso wenig wusste er über die Art der Verbindung bescheid, die Friedmann zum Kloster pflegte. Und was die Brüder zwischen all dem Beten und Büßen tatsächlich trieben, ahnten außer dem Schöpfer vermutlich nur die hiesigen Kiefern.
    Tilse beeilte sich, die Hände zu falten und den Kopf zu neigen.
    „Inter spem et metum.“
    Der Mönch trat grußlos zur Seite. Die Gastfreundlichkeit zählte hier nicht zu den obersten Geboten. Nachdem das schwere Tor hinter Tilses Rücken abgeschlossen wurde, fühlte er sich wie in einer Mausefalle. Er schritt hinter dem Mönch auf das Haupthaus zu. Die Kiefern raunten hinter seinem Rücken. Er kickte einen im Weg liegenden Zapfen gegen die Stämme. Mit einem ‚Plock’ prallte der Zapfen von der Rinde ab. Die Bäume tuschelten weiter.
    An einer Wiese verrichteten fünf Schädel seltsame Gymnastikübungen. Einer machte sie vor und die anderen wiederholten die Position, stellten sich auf ein Bein, streiften mit den Händen durch die Luft und verharrten. Im Vorbeigehen beobachtete er die Männer. Wenn er einen Zapfen in die Gruppe gekickt hätte, würden sie vermutlich genauso reagieren wie die Kiefern.
    Der Mönch führte ihn in die Eingangshalle. Während der Klosterbruder leise wie eine Katze über den Steinboden glitt, zerstampften Tilses Schritte die morbide Stille des Saals. Vor der Treppe, die zur Galerie in der zweiten Etage führte, drehte sich der Mönch um. Eine Weile musterten sie einander, bis Tilse sagte:
    „Wo finde ich den Spiritus Rektor?“ Die hohen, kahlen Wände verzerrten seine Stimme.
    Der Mönch deutete auf die Bogentür rechts und verharrte wieder, die Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte versteckt. Tilse wartete, aber als nichts mehr kam, brummte er ein ‚Danke’ und wandte sich ab.
    Die Wendeltreppe führte in den Keller mit einer niedrigen Kuppeldecke. Der Gang schien sich zu verengen, als würden die Wände auf Tilse zukriechen und wie eine Boa bei jedem Ausatmen noch fester zudrücken. Weit entfernt hörte er dumpfe Schläge gegen Holz und heisere Rufe:
    „Lass mich raus! Hörst du? Du kannst mich hier nicht einsperren!“
    Tilse runzelte die Stirn. Walters? Ungeachtet der erdrückenden Enge, tastete er sich an der Wand voran, erreichte eine Biegung und lugte um die Ecke. Die Kellerlampe über ihm flackerte und er sah Friedmann.
    „Oh, Tilse. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten.“
    Keine Spur von Unsicherheit, die er kürzlich am Telefon vernommen hatte. Das flackernde Licht ließ Schatten über das magere Gesicht zucken. Aus dem Verlies ertönten erneut Rufe:
    „Lass mich frei, verflucht noch mal! Hey!“
    Der Bursche musste verzweifelt sein, wenn er es wagte, Friedmann zu duzen. Tilse kratzte sich an der Nase.
    „Ist das Walters? Was ist passiert?“
    Die Schreie gingen in ein heiseres Husten über, schienen zu erlöschen wie eine Glühbirne, die ihren Geist aufgibt.
    „Es ist alles unter Kontrolle.“ Der alte Mann beobachtete einen Moment das zuckende Licht und rümpfte die Nase. Mit dem Zeigefinger klopfte er an den Lichtkörper, bis die Lampe ausging. „Gehen wir.“ Er marschierte zur Wendeltreppe.
    Tilse folgte ihm aus dem Keller und war froh, endlich nach oben zu gelangen. In der Geräumigkeit des Saals atmete er mit voller Brust ein und aus, während der Spiritus Rektor die Tür verschloss. Friedmann zerrte zur Sicherheit an dem Ring und hob mit zwei Fingern die Schlüssel hoch.
    „Ich vertraue Ihnen. Bleiben Sie hier und passen Sie auf, dass keiner da hinunter-geht.“
    Er ließ den Bund in Tilses Handfläche fallen. Tilse umschloss das kalte Metall. Vertrauen? Um den hauseigenen Kerberos zu spielen? Das hätten auch die Schädel übernehmen

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