Staub zu Staub
gekämmten Haaren erkannte sie ihn erst jetzt.
Mirjam stöhnte protestierend und wand sich im Griff, worauf ihr Kopf noch stärker zur Seite gedrückt wurde und der Arm um ihre Brust die Luft aus ihrer Lunge presste. Der Typ schnippte die Zigarette fort. In seiner Hand blitzte ein Bayonet-Messer auf. Mirjam versuchte den Blick des Kerls einzufangen. Vielleicht würde es ihr gelingen, Zeit zu gewinnen. Zeit. Wofür eigentlich?
Sie sammelte ihre Kraft und stieß dem Mann, der sie hielt, gegen das Schienbein. Ein Mal hatte es ja funktioniert. Gleich darauf bekam sie einen so starken Tritt gegen ihre Wade, dass ihr Tränen in die Augen schossen.
„Du machst das noch ein Mal“, zischte die Stimme, „und der Tod wird nicht das Schlimmste sein, was dir heute widerfährt.“
Seine Zunge leckte ihren Hals hoch. Der Pommes-Curry-Atem hauchte sie an. Mirjam bäumte sich auf vor Ekel.
„Sei still!“ Zähne bohrten sich in ihr Ohrläppchen. Sie schrie, doch die Hand vor ihrem Mund erstickte jegliches Geräusch. „Hey, muss ich das Miststück ewig halten?“
Sie wimmerte. Für einen Augenblick gelang es ihr, dem Typen in die grauen Augen zu schauen. Fast glaubte sie, dort den freundlichen Ausdruck schimmern zu sehen, mit dem er aus dem U-Bahn-Eingang getreten war.
Er schüttelte den Kopf. „Mord ist eine Todsünde.“
„Besser du, als ich. Du weißt, was ich sonst mit dem Miststück machen werde. Tu’s endlich!“
Tu’s nicht
, flehte Mirjam ihn stumm an.
Bitte, tu es nicht!
„Es sollte keiner sterben“, sagte er, als würde er ihr antworten. „Wir mussten den alten Mann bloß abholen. Es war ein Unfall.“
Wollte er den Mord an Preschke erklären? Warum? Der andere knurrte und verstärkte den Druck seiner Hand. Mirjam stöhnte. Wenn er ihren Kopf noch weiter zur Seite drücken würde, bräche er ihr das Genick.
„Also gut. Gib das Messer her.“
„Nein.“ Der Typ versteckte die Hand hinter dem Rücken.
„Du jämmerlicher Waschlappen!“ Der Mann riss Mirjam herum. Seine Hand drückte ihren Hals zu und zwang sie einige Schritte rückwärts zu stolpern. Sie röchelte. Im nächsten Augenblick stieß er sie mit einem Ruck nach hinten. Hart prallte ihr Kopf gegen eine Stange des Baugerüsts. Sie versuchte, den Griff um ihre Kehle zu lockern, während der Kerl weiter ihren Schädel gegen den Pfahl schlug. Sie biss die Zähne zusammen und kratzte ihrem Peiniger über die Wange. Er boxte ihr ins Gesicht.
Mirjam stürzte zu Boden. Ihre Hände pufferten den Fall, aber sie schürfte ihre Haut auf dem Asphalt auf. Ihr Kopf dröhnte, als würde er gleich explodieren. Auf der Zunge schmeckte sie Blut und etwas Warmes floss aus ihrer Nase.
Mirjam rollte sich auf den Rücken, kurz bevor der Kerl sich auf sie warf. Sie keuchte, während er ihre Bluse aufriss. Kalte Hände grabschten nach ihrem Busen.
„Du hast geile Titten“, raunte er ihr entgegen. Seine Zunge schlabberte ihr über das Gesicht, leckte das Nasenblut und Tränen fort. Mirjam weinte und wand sich. Seine Finger quetschten ihre Brustwarzen.
„Lass sie los!“ Der andere Typ stürmte zu seinem Komplizen und rüttelte ihn an der Schulter.
„Du wolltest ja nicht“, krächzte dieser und schlug seine Hand fort, ohne Mirjam loszulassen.
Sein Oberschenkel drückte ihre Beine auseinander. Die gierigen Finger fummelten an ihrem Jeansverschluss, während der Kerl sie würgte und seinen Unterleib an ihr rieb. Plötzlich hallte sein überraschter Ausruf durch die Straße. Mit einem Ruck wurde sein Gewicht von Mirjam herunter gezerrt.
Sie kauerte sich zusammen. Weinkrämpfe würgten ihren schmerzenden Hals. Blut und Rotz flossen ihr aus der Nase und immer noch fühlte sie die grabschende Hand auf ihrer Brust. Sie zog die Bluse vorne zusammen. Wie durch Nebel sah sie in der Nähe eine bekannte Figur in einem schwarzen Anzug.
„Max“, flüsterte sie.
Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?
Der Kerl in der Motorradjacke fuchtelte mit dem Messer, trat aber Schritt um Schritt zurück. Der andere versuchte, die neue Situation einzuschätzen, sein Blick huschte von Mirjam zu Max. Mirjam wünschte, Max würde den beiden Leid zufügen. Viel Leid. Damit sie erfuhren, was es hieß, Todesangst zu haben. Damit sie sich im Staub wanden und um Gnade bettelten.
Sie wünschte, ihre Peiniger würden sterben.
Als ob er ihre Gedanken hörte, schaute Max zu ihr. Seine Lippen bewegten sich und Mirjam erahnte die einzelnen Worte:
Wenn … Wille
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