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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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Zellen in den Körper gelangen, die den körpereigenen sehr ähneln. Das Immunsystem kann die fremden von den eigenen nicht unterscheiden und schert alles über einen Kamm.“ Er schob die Mappe über den Tisch. „Die Einzelheiten, Prognosen und Ihre Lebenserwartung können Sie dem hier entnehmen.“
    Walters schielte zur Akte, ohne sie anzufassen. „Wie konnten irgendwelche Fremdzellen, die dazu noch meinen ähneln, in mich gelangen? Ich habe sie wohl kaum gegessen oder so!“
    „Eher getrunken. Friedmann hat mir über den Vorfall in der Gasse berichtet.“ Er schlug eine andere Mappe auf. Eine Büroklammer hielt auf dem ersten Blatt ein Foto fest. Er löste es und schnippte es Walters zu. „Der junge Mann kommt Ihnen bekannt vor? Gratuliere, Sie haben jemanden gefunden, den wir seit siebzehn Jahren vergeblich gesucht haben.“
    Mit zwei Fingern griff Walters das Foto an der obersten Ecke. Einige Sekunden lang blinzelte er es an, bis Erkenntnis über sein Gesicht huschte.
    „Scheiße.“ Er senkte die Hand. Seine Finger zitterten. „So ein Scheißdreck!“
    Tilse lehnte sich zurück. „Ja, aber ich nenne ihn Jonathan.“
    „Ganz klasse. Ich habe mich mit Jesus angelegt.“ Er schloss seine geschwollenen Lider. „Ich dachte, der kann nur heilen und predigen. Kenne ich die Bibel so schlecht oder steht da tatsächlich etwas von Autoimmunkrankheiten?“
    „Der neue Aspekt macht es wirklich etwas komplizierter.“
    „Für mich ist alles einfach.“ Walters’ Schultern sackten nach vorn. „Ich möchte eingeäschert werden. Ach ja, und schlagt bitte mit der Urne meinem Vater den Kopf ein. Damit ich wenigstens eine Narbe bei ihm hinterlasse.“
    Tilse schmunzelte. „Verstehe. Doch bevor wir Sie nach allen Regeln der Kunst einäschern, sollten wir alles tun, um diesen Moment hinauszuzögern. Ich denke, das wäre auch in Ihrem Interesse. Meinen Sie nicht?“
    Walters legte den Kopf in den Nacken. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er schluckte. „Lungenblutungen, Nierenversagen: unheilbar. Habe ich da etwas überhört, oder war’s das zum Thema?“
    „Unheilbar bezog sich auf die moderne Medizin.“ Tilse nahm das Foto und drehte es in der Hand.
    Walters öffnete ein Auge, gluckste und brach in Gelächter aus, bis ein kurzer Hustenanfall ihn erschütterte. „Ach.“ Er wischte sich über die Lippen. „Soll ich jetzt zu ihm gehen und ihn ganz lieb bitten? Der ist bestimmt nicht nachtragend.“
    „Bitten müssen Sie ihn nicht. Sie müssen ihn zu mir bringen.“
    „Na, wenn es weiter nichts ist!“
    Tilse beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. „Hören Sie, Jonathan ist kein Jesus. Er ist außergewöhnlich, in der Tat, aber nicht göttlich. Es sind seine Zellen, die das anrichten.“ Er legte die Hand auf die Mappe. „Zellen und Gene, sonst nichts.“
    Walters kräuselte die Stirn. „Das kapier ich nicht. Was haben Sie vor?“
    Das höfliche ‚Sie’ brachte Tilse zum Lächeln. „Ich war nicht untätig.“ Aus seiner Jackentasche holte er ein schmales Etui. „Es gibt einige kluge Leute, die sich mit ihm liebend gern beschäftigen würden. Seine Zellen sind eine Goldgrube. Wir werden herausfinden, wie er funktioniert. Sie müssen mir nur vertrauen. Und helfen.“ Er verschwieg, wie viel Geld diese klugen Leute ihm versprochen hatten und dass sie ganz gewiss nicht an Walters Heilung interessiert waren.
    Walters deutete mit dem Kinn auf das Etui. „Was ist das?“
    Tilse öffnete es. Im Inneren lag ein blaues Gerät, das einem Filzstift ähnelte. „Ein Insulin-Pen.“
    „Verstehe, zu meinem Goodpasture-Syndrom habe ich auch noch Diabetes?“
    „Jonathan hat eine chronische Hypoglykämie oder einfacher gesagt, Unter-zuckerung. Insulin wird ihn schnell und zuverlässig in die Knie zwingen.“
    „Bekomme ich ein Spuckröhrchen dazu, oder wie soll ich es ihm verpassen? Der wird Kleinholz aus mir machen, so-bald ich ihm zu nahe komme. Wir sind nicht gerade die besten Freunde, wissen Sie?“
    Tilse ging ins Büro des Abtes. Auf dem altertümlichen Tisch mit einem TFT-Monitor lag neben der Tastatur eine Pistole. Als er mit der Waffe in der Hand zurückkam, schnellte Walters hoch. Der Stuhl kippte um.
    „Hey, was soll das?“ Schritt um Schritt wich der Bursche zurück.
    „Ich bitte Sie!“ Er legte die Browning nieder. „Das hier wird Ihnen helfen, an Jonathan ranzukommen. Nur erschießen Sie ihn nicht. Er wird nämlich nicht auferstehen.“ Tilse klopfte auf die Mappen. „Hier steht alles,

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