Staub zu Staub
alles.“
„
Der Mund des Gerechten bewegt Worte der Weisheit und seine Zunge redet, was recht ist
.“ Helmuts dürre Finger kratzten an den Dielen. „
Die Rettung der Gerechten kommt vom Herrn, er ist ihre Zuflucht in Zeiten der Not
.“
„Ich bitte Sie! Wo war seine Rettung, als Ihre Mutter gefoltert wurde? Wo war er, als sie vor Schmerzen geschrieen hat? Ich habe sie gehört. Und er? Ich höre auch jetzt Ihre Gebete. Und er?“
„
Die Sünder werden alle zusammen vernichtet; die Zukunft der Frevler ist Untergang
.“
Schöbel aschte in die Spüle und blickte zu seinem Komplizen, den Mirjam nicht sehen konnte. „Wenn diese Gerechten in Psalmen und Gebeten reden, kriege ich Magengeschwüre.“ Er nahm einen Zug von seiner Zigarette. „Ich habe mir schon gedacht, dass wir hier nur Zeit verlieren. Machen Sie den Herd fertig.“
Gleich darauf schleifte Metall über die Dielen, der Herd wurde von der Wand geschoben. Für einen Moment verschwand Schöbel aus Mirjams Blickfeld und kehrte mit einem Stuhl zurück. Grob packte er Helmut am Oberarm und zwang ihn, sich hinzusetzen.
„Ich gebe Ihnen noch eine letzte Chance, sich mit mir vernünftig zu unterhalten.“ Er stemmte seinen Fuß zwischen Helmuts Beinen gegen die Sitzfläche. „Also, was ist?“
Steiner lehnte sich so weit es ging in die Stuhllehne. Seine Finger krallten sich in den Stoff seiner Jogginghose.
„
Hoffe auf den Herrn und bleib auf seinem Weg
.“
Das Ende der Zigarette glühte auf. Schöbel inhalierte tief. „Das ist nicht gerade meine Vorstellung von vernünftig.“ Bei jedem Wort entwich Rauch aus seinem Mund.
„
Hoffe auf den
…“
Ruckartig schlug Schöbel dem Alten ins Gesicht. Mirjam zuckte zusammen. Wieder folgte ein Schlag. Helmuts Lippe platzte, doch er hörte nicht auf, seine Litanei zu murmeln. Tränen sammelten sich in Mirjams Augen. Aufhören! Max war tot! Keine Botschaft dieser Welt konnte ihn noch erreichen.
Der Herd wurde zurückgeschoben.
„Es ist soweit.“
Schöbel sah auf Steiner herab. „So weit musste es wirklich nicht kommen.“
Er winkte seinen Komplizen herbei. Dieser packte Helmut an den Oberarmen. Ein kräftiger Mann mit glatt gegeltem Haar und einem Seitenscheitel. Aus dem Ausschnitt seines dunkelblauen Pullovers ragte ein weißer Hemdkragen. Fältchen um seine Mundwinkel deuteten darauf hin, dass er oft lächelte.
Schöbel spitzte die Lippen und blies Rauch in Helmuts Gesicht. Die Schwaden waren noch nicht verzogen, als er die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger klemmte und sie dem alten Mann ins Auge drückte. Helmut schrie und bäumte sich auf. Sein Peiniger lächelte und pustete auf das verbrannte Lid. „Scht.“ Er tätschelte ihm die Wange, stemmte den Fuß wieder gegen den Stuhl und drückte Helmut das Knie in die Brust. „Ist ja nichts Schlimmes. Schlimm ist das hier.“
Sein Zeigefinger schnellte dem Alten ins Auge. Helmut brüllte und zappelte, während der Finger sich immer tiefer in die Höhle wurmte.
Etwas säuerliches stieg in Mirjams Rachen hoch. Bloß nicht übergeben. Nicht jetzt. Ihr Verstand malte Schreckensbilder davon, was die Mistkerle mit ihr anstellen würden, falls sie sie entdeckten.
Aus der Augenhöhle strömte Blut über Helmuts unrasierte Wange und tropfte auf das fleckige Unterhemd. Langsam fand auch der Mittelfinger den Weg hinein. Steiners Schreie peitschten auf Mirjam ein. Sie verkrallte sich in den Stiel des Wischmopps, unfähig sich zu bewegen oder wenigstens wegzuschauen.
Ein Ruck nach vorn – und Schöbel warf das ausgerissene Auge mit den bluttriefenden Gewebefäden zu Boden. Sein Komplize ließ Helmut los, der wie ein Sack Kartoffeln vom Stuhl fiel und wimmerte.
„Was zum Teufel tut ihr hier?“ Unter der schrillen Stimme zuckte Mirjam zusammen. Max’ Mörder rauschte am Türspalt vorbei. „Was … was soll das?“
„Seit wann sind wir per du?“ Schöbel wischte seine Finger an Helmuts Unterhemd ab. „Sie hören sich heiser an. Brauchen Sie ein Eukalyptus-Bonbon?“ Er klopfte dem Typen auf die Schulter. „Aber wir unterhalten uns lieber draußen. Hier wird bald alles sehr explosiv.“
„Halt! Tilse hat gesagt …“
„Ich habe alles unter Kontrolle. Soll ich Sie nach Hause bringen? Sie sehen wirklich nicht gut aus.“
„Nein! Warten Sie!“
Doch er wurde aus der Küche gedrängt. Kurz darauf schlug die Eingangstür zu und im Haus breitete sich Stille aus. Nur Steiner wimmerte auf dem Boden. Mirjam kroch aus ihrem Versteck. In
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