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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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Friedmann, in dem er gestand, es nicht länger ertragen zu können. Nicht Jesus, sondern das Oberhaupt war es, das ihm den wahren Glauben ge-schenkt hatte. Doch wenn Tilse jetzt in sich hinein horchte, fand er auch diesen Funken erloschen, als würde er vor einer alten Feuerstätte stehen und den Geruch der kalten Asche einatmen.
    In der Kirche ertönten Schritte und mehrere Stimmen hallten von den Wänden. Kurze Zeit später betrat jemand die Kabine. Durch das vergitterte Fenster sah Tilse die Umrisse des Beichtenden, wie er sich auf die Knie niederließ und den Kopf neigte.
    „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
    Ein Flüstern, kaum wahrnehmbar. Tilse lauschte angestrengt, doch es gelang ihm nicht, die Stimme zu erkennen. „Gott schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit“, flüsterte Tilse zurück, so wie er sich zu erinnern glaubte. Darauf erwartete er ein ‚Amen’ zu hören, stattdessen vernahm er ein leises ‚Inter spem et metum’.
    Tilse erwiderte das Gleiche. Die Dunkelheit und das feine Gitter am Fensterchen hinderten ihn daran, das Gesicht des Beichtenden zu erkennen. Für mehrere Sekunden hörte er nur unregelmäßige Atemgeräusche, bis der Unbekannte fragte:
    „Wo ist Friedmann?“
    „Er hat zu tun.“
    „Verstehe. Nicht mal das ist ihm wichtig genug, um mit mir zu sprechen. Was soll’s. Heute Nacht wird Jonathan die Schrift aus dem Kloster holen.“
    „Wann genau?“
    „Ich weiß es nicht. Und ich fürchte, ich werde keine Möglichkeit haben, bescheid zu geben.“ Tilse hörte ein Röcheln und gleich darauf ein Husten.
    Walters?
    Also war der Idiot doch auf Friedmanns Seite übergegangen. Verdammt! Tilse biss sich in einen Fingerknöchel. Er hatte den Burschen in der Hand gehabt, jetzt zerbröckelte sein Plan wie ein Sandschloss, von einem wütenden Kind ausgemerzt. Wie sollte er jetzt an Jonathan herankommen?
    Der Husten verebbte, Walters kam wieder zu Atem. Tilse rieb sich die Stirn. Vielleicht konnte es ihm gelingen, den Burschen doch noch für sich zu gewinnen.
    „Jonathan vertraut Ihnen also?“
    „Noch nicht. Vorher konnte ich Friedmann nur eine SMS schicken. Dem Fan-Club habe ich erzählt, ich beichte hier jeden Mittwoch. Was Glaubensfragen angeht, sind sie alle äußerst nachsichtig. Aber sonst lassen sie mich kaum aus den Augen. Das kann ich ihnen auch nicht übel nehmen, schließlich habe ich ihn erschossen.“
    „Erschossen?“
    „Ist eine lange Geschichte. Tilse will sein eigenes Süppchen kochen. Er hat mir eine Pistole gegeben, wollte, dass ich ihm Jonathan bringe. Und ich habe ein wenig Mist gebaut.“ Tilse wurde abwechselnd heiß und kalt. Mit dem Ärmel wischte er sich über die Stirn. Seine Gedanken fuhren Achterbahn. Was tun? Der Verrat, die Nachricht über Jonathans Tod wollten sich nicht in seinem Kopf einordnen. „Er ist auferstanden“, fuhr Walters fort. „Stellen Sie sich vor, er ist tatsächlich auferstanden und ich habe das Wunder mit eigenen Augen gesehen! Zum Glück ist er nicht nachtragend.“ Tilse atmete auf. Jedenfalls war sein geschäftlicher Gewinn noch am Leben. Er musste Walters aus dem Weg räumen. Nur wie? Langsam begann sich sein Plan zu verfestigen. Heute Nacht, im Kloster. Er löste den Generalschlüssel vom Ring und schob ihn durch das Gitterfenster.
    „Das soll ich Ihnen geben.“
    Walters nahm den Schlüssel. „Darf ich Sie was fragen? Was ist für Sie der Glaube? Ich bin katholisch, aber nur weil mein Vater es sich wünschte. Ich wollte ihn nicht enttäuschen, aber es hatte mich nie richtig ausgefüllt, verstehen Sie? Mein … also Friedmann betrachtet den Schöpfer als einen mächtigen Nachbarn. Nichts Spirituelles. Aber ich will glauben. Einfach nur glauben. Dass alles gut wird, weil der Schöpfer gütig ist.“
    „Hören Sie, Wa…“ Noch rechtzeitig brach Tilse ab. „Was ich sagen möchte: Die Wege des Herrn sind unergründlich. Sie haben sich ja für Ihren entschieden, nicht wahr?“ Die letzten Worte klangen verbittert und er hoffte, Walters würde es nicht bemerken.
    „Das weiß ich nicht.“ Der Bursche hüstelte. „Muss ich eigentlich zu ihm beten?“
    „Zu wem?“
    „Zu Jonathan. Wenn er Christus ist, dann müsste ich zu ihm beten. Allerdings ist es irgendwie seltsam, wenn er aus Fleisch und Blut vor mir steht.“
    „Nein, müssen Sie nicht. Ich bin sicher, er wird Sie auch ohne Gebete erhören.“
    Die Stimmen in der Kirche klangen lauter. Walters erhob sich.

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