Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
Vom Netzwerk:
während das Biest empor kroch. Max schnappte nach Luft und blickte auf seine Hände. Fast erwartete er, harte, rubinrote Schuppen und Krallen zu sehen. Doch da war nichts. Bloß ganz gewöhnliche Hände, die erschaffen wurden, um Geigensaiten zu streicheln und keine aufziehenden Wolken.
    „Darf ich dich nun was fragen oder nicht?“
    Max merkte, dass er den Wagen angehalten hatte, obwohl keine Ratte den Weg kreuzte, und trat auf das Gaspedal. „Wenn es um Maria oder mein Sexualleben geht – nein.“
    „Diese Lektion habe ich gelernt.“ Daniel befühlte seine angeschwollene Nase. „Was ich wissen möchte: Hast du ihn eigentlich gesehen?“
    „Wen?“
    „Gott. Und Engel. Und so.“
    Das hatte er befürchtet. Durfte er darüber sprechen? Es kam keine Antwort, die ihn geleitet hätte. Nach dem Erwachen aus dem Koma konnte er den Herrn nicht hören, als wäre in seinem Gehirn etwas abgeschaltet worden. Und nach der Auferstehung sprach der Schöpfer nicht mehr zu ihm. Er fühlte sich verlassen, allein mit seinem Biest.
    „Es ist alles sehr kompliziert. Es geht nicht ums Sehen.“
    „Sondern?“
    „Wahrnehmen? Empfangen? Ich weiß es nicht.“
    „Wie wahrnehmen?“
    Wie erklärte man Unerklärbares? Er schmunzelte. Einmal wurde das schon versucht. In den Vorstellungen der Menschen entstand dabei die Erde in Form einer Scheibe.
    „Wie denn wahrnehmen?“, drängte Daniel.
    „Okay. Lass mich kurz überlegen … Hast du schon mal was von der Stringtheorie gehört? Denn die kommt dem Ganzen am nächsten.“
    „Nein.“
    „Eins der Probleme der theoretischen Physik war, Gravitation mit der Quantenfeldtheorie zusammenzubringen. Mit der Stringtheorie wurde versucht, ein Modell zu erstellen, das alle Fundamentalkräfte beschreiben soll. Also eine Einheit bilden.“
    „Entschuldige. Aber könntest du das so erklären, dass auch diejenigen, die in Physik eine vier hatten, den Sinn deiner Worte begreifen können?“
    „Pass auf, diese Theorie basiert auf dem Gedanken, dass keine Materie, also keine Teilchen existieren, sondern Strings mit einer unendlichen Länge und keinen weiteren Dimensionen.“
    „Ähm. Geht es noch einen Tick einfacher?“
    „Ich versuch’s. Also, ich habe eine Geige. Eine Ruggieri übrigens. Sie hat Saiten.“
    „Ich bin keine fünf Jahre alt.“
    „Okay. Wenn ich eine Saite zupfe, dann hörst du einen Ton. Richtig? Dieser Ton hat eine bestimmte Schwingung. Und ein String ist im Prinzip so eine Schwing-ung.“
    Daniel kicherte plötzlich los. „Sorry. Aber bei Strings muss ich an etwas ganz anderes denken.“
    „Konzentrier dich ein wenig. Die Stringtheorie besagt, dass das Universum nicht aus Teilchen besteht, sondern aus solchen Schwingungen, die selbst einfach Energie sind. Du kannst ein bestimmtes Spektrum davon wahrnehmen und je nachdem, welche Schwingungen es sind, siehst du zum Beispiel dieses Auto. Mit anderen Worten: Wenn ich auf meiner Geige Paganinis Caprice Nummer 24 spiele, dann hörst du auch Caprice und kein Hava Nagila.“
    „Symphonie des Universums? So habe ich darüber noch nie gedacht.“
    Max lächelte. Symphonie des Universums – er ließ die Worte auf seiner Zunge zergehen. Der Einklang des Alls färbte auf ihn ab und schaukelte das Biest in den Schlaf. „Ich auch nicht. Danke dir.“
    „Ich verstehe aber nicht, was das mit Gott zu tun hat.“
    „Wenn ich statt meiner Geige eine Hundepfeife nehme, wirst du gar nichts mehr hören. Weil diese Frequenz außerhalb des Bereiches liegt, den du empfangen kannst. Ich bin anders, im Gegensatz zu dir kann ich den Ton wahrnehmen. Verstehst du, worauf ich hinaus will? Es existieren verschiedene Dimensionen, die unterschiedlich schwingen.“
    „Ich glaube schon. Himmel, Hölle, Engel – alles Göttliche ist irgendwie hier, unter uns.“
    „Im Prinzip, ja. Du kannst den Teil der Schwingungen wahrnehmen. Ich kann sie verändern. Und der Schöpfer – sie erzeugen, durch seine Energie.“
    „Du kannst sie verändern? Also, aus einem Baum einen Frosch machen?“
    „Oder aus Wasser Wein? Ja, aber dafür muss noch mehr zusammenkommen als nur Strings. Eine große Veränderung gäbe einen falschen Ton in der Komposition und ich mag gar nicht daran denken, wie sehr es das Universum aus dem Gleichgewicht bringen würde. Außerdem ist das extrem kraftraubend. In meiner jetzigen Erscheinung könnte ich das kaum bewältigen ohne zu verbrennen.“
    „Was passiert nach dem Tod?“
    „Die Seelen kehren zu ihren Wurzeln zurück.

Weitere Kostenlose Bücher