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Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Schneeschuhe.«
    »Tut mir Leid«, wiederholt er. »Manchmal denke ich nicht daran, dass auch du Grenzen hast.«
    »In letzter Zeit entdecke ich ständig neue.«
    »Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich es dir vorhergesagt.« Er stößt den Stock in den Schnee und macht einen Schritt. »Aber du hättest mir ohnehin nicht geglaubt.«
    »Ich höre auf dich.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass du nicht auf mich hörst, sondern dass du mir nicht glaubst. In diesem Fall hättest du es sicher nicht getan.«
    »Mag sein. Wie weit ist es noch? Bei welcher Markierung sind wir?«
    »Ich sage es dir ja nur ungern, aber erst bei Nummer drei. Es sind noch ein paar Kilometer«, erwidert Benton. Er blickt zu dem dichten, dunstigen Schneesturm hinauf. In nur wenigen Minuten hat er sich schon wieder ein Stück gesenkt. Die obere Hälfte des Berges ist darin verschwunden, und der Wind hat aufgefrischt.
    »So ist es schon, seit ich hier bin. Fast jeden Tag, normalerweise am späten Nachmittag, gibt es fünfzehn bis zwanzig Zentimeter Neuschnee …« Dann kommt er auf ihr eigentliches Thema zurück. »Wenn man selbst die Zielperson ist, kann man nicht objektiv sein. Im Krieg neigen wir dazu, unsere Gegner zu Objekten zu machen, genauso wie sie es umgekehrt auch mit uns tun. Doch es ist ganz anders, wenn man selbst zum Objekt und zum Opfer wird. Für Henri bist du ein Objekt. Und sosehr du das Wort auch hasst – du bist das Opfer. Sie hat dich zum Objekt gemacht, bevor sie dich überhaupt kennen gelernt hat. Du hast sie fasziniert, und sie wollte dich besitzen. Pogue hat dich ebenfalls zum Objekt gemacht, wenn auch auf eine völlig andere Weise und aus seinen eigenen Gründen, die sich völlig von Henris unterscheiden. Er will nicht mit dir schlafen, dein Leben leben oder gar du sein. Er will dir einfach nur schaden.«
    »Denkst du wirklich, er ist hinter mir her, nicht hinter Henri?«
    »Auf jeden Fall. Du bist das Opfer, auf das er es abgesehen hat. Du bist das Objekt.« Seine Worte werden vom Stochern der Skistöcke und vom Klappern der Schneeschuhe untermalt. »Macht es dir was aus, wenn wir eine kurze Pause einlegen?« Er braucht zwar keine, glaubt aber, dass sie eine nötig hat.
    Sie halten an, stützen sich auf ihre Skistöcke, atmen große Wolken weißer Luft aus und beobachten, wie der Schneesturm in etwa anderthalb Kilometern Entfernung die Berge rechts von ihnen umhüllt und schon fast auf einer Höhe mit ihnen ist.
    »Ich gebe ihm noch eine knappe halbe Stunde«, sagt Benton, nimmt die Sonnenbrille ab und verstaut sie in einer Tasche seiner Skijacke.
    »Das Unheil kommt näher«, meint Lucy. »Irgendwie symbolisch.«
    »Das ist das Gute an den Bergen und am Meer. Die Natur rückt einem den Kopf zurecht und hat einem einiges mitzuteilen«, antwortet er, während er zusieht, wie sich der graue, neblige Sturm herabsenkt. Er weiß, dass es hinter dieser Wolkenwand heftig schneit und dass sie bald mitten im Inferno stehen werden.
    »Ich hoffe, Pogue versucht es mal bei mir.«
    »Darauf würde ich es nicht anlegen, Lucy.«
    »Ich hoffe es aber«, beharrt sie und setzt sich wieder in Bewegung. »Das wäre der größte Gefallen, den er mir tun könnte. Es wäre nämlich sein letzter Versuch.«
    »Henri ist ziemlich gut in der Lage, sich selbst zu verteidigen«, erinnert er sie. Er macht große Schritte und setzt die Schneeschuhe nacheinander in den verkrusteten Schnee.
    »Nicht so gut wie ich. Nicht annähernd. Hat sie dir erzählt, was sie im Trainingslager gemacht hat?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Wir sind dort ziemlich gnadenlos und simulieren Kampfsituationen nach der Methode von Gavin de Becker«, erwidert sie. »Die Auszubildenden wissen nicht, was sie erwartet, weil wir das im wirklichen Leben schließlich auch nicht wissen. Wenn wir die Hundestaffel zum dritten Mal auf sie hetzen, kommt eine kleine Überraschung: Die Hunde haben plötzlich keinen Maulkorb mehr um. Natürlich trug Henri Schutzkleidung, doch als sie bemerkte, dass der Hund keinen Maulkorb mehr hatte, ist sie völlig durchgedreht. Sie versuchte schreiend wegzulaufen und wurde umgerissen. Anschließend war sie völlig außer sich und wollte kündigen.«
    »Schade, dass sie es nicht getan hat. Hier ist die zweite Markierung.« Mit dem Skistock weist er auf die Lawinenmarkierung, auf der eine große 2 steht.
    »Sie hat sich rasch wieder erholt«, fährt Lucy fort. Sie folgt alten Spuren im Schnee, weil es so weniger anstrengend ist. »Die Gummigeschosse hat sie

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