Staub
nickt.
»Und die Schwester? Man hat mir gesagt, sie sei sehr nett. Sie heißt Brenda. Sie hat dich auf Verletzungen durch ein Sexualverbrechen und auf Spuren untersucht. Da in diesem Raum auch Kinder behandelt werden, gibt es dort Plüschtiere. Die Tapete hat Winnie-Puh-Motive mit Bärchen, Honigtöpfen und Bäumen. Brenda trug keine Schwesterntracht, sondern hatte einen hellblauen Hosenanzug an.«
»Du warst nicht dabei.«
»Sie hat es mir am Telefon erzählt.«
Henri betrachtet ihre nackten Füße auf dem Sesselpolster. »Du hast sie gefragt, was sie anhatte?«
»Sie hat haselnussbraune Augen und kurzes schwarzes Haar«, versucht Benton freizulegen, was Henri tatsächlich oder angeblich verdrängt hat. Es ist Zeit, über die Sicherstellung der Spuren zu sprechen. »Es wurde keine Samenflüssigkeit gefunden, Henri. Keine Hinweise auf einen sexuellen Übergriff. Doch Brenda hat Fasern entdeckt, die an deiner Haut klebten. Offenbar hattest du irgendeine Lotion oder ein Körperöl aufgetragen. Weißt du noch, ob du dich an diesem Morgen eingecremt hast?«
»Nein«, erwidert sie leise. »Aber ich könnte auch nicht behaupten, dass es nicht so war.«
»Deine Haut war fettig«, sagt Benton. »Laut Brenda. Sie hat auch einen Geruch wahrgenommen, einen angenehmen Duft wie von einer parfümierten Körperlotion.«
»Er hat mich nicht eingerieben.«
»Er?«
»Es muss doch ein Er gewesen sein. Oder glaubst du, es war eine Sie?«, meint sie in einem gekünstelt hoffnungsfrohen Tonfall, sodass sich ihre Stimme anhört wie die eines Menschen, der entweder sich selbst oder anderen etwas vormachen will. »Eine Sie kann es nicht gewesen sein. Eine Frau. Frauen tun so was nicht.«
»Frauen tun alles Mögliche. Im Augenblick wissen wir noch nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Auf der Matratze im Schlafzimmer wurden einige Kopfhaare gefunden. Schwarz, lockig und etwa fünfzehn bis achtzehn Zentimeter lang.«
»Tja, dann erfahren wir es ja bald, stimmt’s? Man kann aus den Haaren die DNS herauslösen und feststellen, dass es keine Frau war«, sagt sie.
»Ich fürchte, das geht nicht. Die durchgeführte DNS-Untersuchung kann das Geschlecht nicht bestimmen. Vielleicht die Rasse, aber nicht das Geschlecht. Und sogar das wird mindestens einen Monat dauern. Glaubst du, du könntest die Körperlotion selbst aufgetragen haben?«
»Nein. Aber er war es auch nicht. Das hätte ich nie zugelassen. Ich hätte mich gegen ihn gewehrt, wenn das möglich gewesen wäre. Vielleicht wollte er es ja tun.«
»Und du hast dich auch nicht selbst eingecremt?«
»Ich habe doch schon nein gesagt, genügt das denn nicht? Außerdem geht es dich nichts an.«
Benton versteht. Wenn Henri die Wahrheit sagt, hat die Lotion nichts mit dem Übergriff zu tun. Als er an Lucy denkt, wird er gleichzeitig von Mitleid und Wut ergriffen.
»Erzähl du es mir«, fordert Henri ihn auf. »Erzähl mir, was deiner Ansicht nach mit mir passiert ist. Du schilderst mir, was geschehen ist, und ich sage dann, ob es stimmt oder nicht.« Sie lächelt plötzlich.
»Lucy kam nach Hause«, beginnt Benton. »Es war ein paar Minuten nach zwölf Uhr mittags, und als sie die Vordertür aufschloss, bemerkte sie sofort, dass die Alarmanlage nicht eingeschaltet war. Sie hat nach dir gerufen, und als du nicht geantwortet hast und sie hörte, wie die Hintertür, die zum Pool führt, gegen den Türpfosten schlug, ist sie dorthin gelaufen. In der Küche sah sie, dass die Tür zum Pool weit offen stand.«
Henri starrt wieder mit aufgerissenen Augen an Benton vorbei und aus dem Fenster. »Ich wünschte, sie hätte ihn getötet.«
»Sie hat ihn nie zu Gesicht bekommen. Vermutlich hat die Person gehört, wie sie in ihrem schwarzen Ferrari vorfuhr, und ist abgehauen …«
»Er war doch bei mir im Zimmer und musste zuerst die vielen Stufen hinunter«, unterbricht Henri, während sie weiter ins Leere blickt. Diesmal hat Benton das Gefühl, dass sie die Wahrheit sagt.
»Lucy hat nicht in der Garage geparkt, da sie nur kurz vorbeikommen wollte, um nach dir zu sehen«, spricht Benton weiter. »Also hat sie die Vordertür rasch erreicht und ist hereingekommen, während er durch die Hintertür geflüchtet ist. Sie hat ihn nicht verfolgt, weil er zu schnell für sie war. Außerdem hat sich Lucy in diesem Moment mehr für dich interessiert als für den Menschen, der ins Haus eingedrungen ist.«
»Das stimmt nicht«, meint Henri, beinahe triumphierend.
»Dann erzähl mir, wie es
Weitere Kostenlose Bücher