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Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ihren Händen war.«
    »Was ist mit Livor Mortis ?«
    »Keine Chance. So lange war sie noch nicht tot.«
    Wenn das Blut nicht länger fließt, sackt es aufgrund der Schwerkraft in die untere Körperhälfte und erzeugt ein Muster aus tief rosafarbenen und bleichen Stellen, wo die Körperoberfläche auf einen Gegenstand drückt. Sosehr man hofft, einen Toten so schnell wie möglich zu finden, hat eine Verzögerung auch ihre Vorteile. Ein paar Stunden genügen schon, damit Livor Mortis und Rigor Mortis einsetzen und verraten, in welcher Stellung sich der Tote befand, als er starb, selbst wenn später Lebende auf der Bildfläche erschienen sind, um den Tatort zu manipulieren und die Geschichte in ihrem Sinne zu ändern.
    Scarpetta zieht vorsichtig Gillys Unterlippe herunter und hält Ausschau nach Verletzungen, die darauf hinweisen, dass jemand ihr gewaltsam den Mund zugehalten oder sie erstickt hat, indem er ihr Gesicht in die Kissen drückte.
    »Nur zu, aber danach habe ich auch schon gesucht«, lautet Fieldings Kommentar dazu. »Ich konnte keine anderen Verletzungen entdecken.«
    »Und ihre Zunge?«
    »Sie hat nicht hineingebissen. Nichts deutet darauf hin. Ich verrate Ihnen ja nur ungern, wo die Zunge jetzt ist.«
    »Ich kann es mir denken«, erwidert sie, steckt die Hand in den Beutel mit den kalten, matschigen Organteilen und tastet darin herum.
    Fielding wäscht sich die behandschuhten Hände unter dem kräftigen Wasserstrahl, der sich ins Metallbecken ergießt, und trocknet sie mit einem Handtuch ab. »Warum ist Marino nicht mit von der Partie?«
    »Ich weiß nicht, wo er steckt«, antwortet Scarpetta. Sie ist nicht sonderlich erfreut darüber.
    »Seine Begeisterung für verweste Leichen hielt sich schon immer in Grenzen.«
    »Mir machen eher die Leute Sorgen, die eine Schwäche dafür haben.«
    »Und für Kinder. Jeder, der was für tote Kinder übrig hat«, fügt Fielding hinzu. Er lehnt an der Theke und sieht ihr zu. »Hoffentlich finden Sie was, denn ich habe nichts entdecken können. Das frustriert mich ziemlich.«
    »Was ist mit Petechien? Ihre Augen sind in einem schrecklichen Zustand, sodass ich nichts mehr feststellen kann.«
    »Sie war ziemlich mit Blut überfüllt, als sie eingeliefert wurde«, erwidert Fielding. »Schwer zu sagen, ob sie petechiale Blutungen hatte, aber mir sind keine aufgefallen.«
    Scarpetta stellt sich vor, wie Gillys Leiche im Leichenschauhaus eintraf. Sie war erst wenige Stunden tot, ihr Gesicht mit Blut überfüllt und rot, die Augen ebenfalls gerötet.
      »Lungenödem?«, erkundigt sie sich.
    »Ein leichtes.«
    Scarpetta hat die Zunge entdeckt. Sie geht zu den Waschbecken, um sie abzuspülen, und tupft sie mit einem kleinen weißen Frottiertuch besonders billiger Qualität trocken, wie sie der Staat einzukaufen pflegt. Dann rollt sie eine OP-Lampe heran, schaltet sie ein und richtet sie auf die Zunge. »Haben Sie eine Lupe?«, fragt sie, während sie die Zunge noch einmal mit dem Handtuch abtupft und die Lampe einrichtet.
    »Kommt sofort.« Er zieht eine Schublade auf, kramt ein Vergrößerungsglas heraus und reicht es ihr. »Sehen Sie was? Ich habe nichts bemerkt.«
    »Hat sie unter Krampfanfällen gelitten?«
    »Nicht, soweit ich informiert bin.«
    »Tja, ich kann keine Verletzung feststellen.« Sie sucht nach Hinweisen darauf, dass Gilly sich auf die Zunge gebissen hat. »Und haben Sie Abstriche von ihrer Zunge und aus der Mundhöhle genommen?«
    »Klar doch. Von allen Körperöffnungen«, entgegnet Fielding, kehrt zur Theke zurück und lehnt sich wieder daran. »Alles ohne Befund. Im Labor wurde auch nichts gefunden, was auf sexuellen Missbrauch hindeutet. Keine Ahnung, was – wenn überhaupt etwas – sie sonst noch ermittelt haben.«
    »Auf ihrem CME-1-Formular steht, dass ihre Leiche bei der Einlieferung mit einem Pyjama bekleidet war. Das Oberteil war mit der Innenseite nach außen gedreht.«
    »Klingt richtig.« Er greift nach der Akte und beginnt, sie durchzublättern.
    »Sie haben ja supergründlich fotografiert.« Sie fragt nicht, sondern deutet nur sarkastisch an, was eigentlich die normale Vorgehensweise sein sollte.
    »Hey«, erwidert er lachend. »Von wem habe ich traurige Gestalt denn meinen Job gelernt?«
    Scarpetta blickt ihn kurz an. Sie hat ihm ein sorgfältigeres Arbeiten beigebracht, aber sie spricht es nicht aus. »Ich freue mich, dass Sie an der Zunge nichts übersehen haben.« Sie steckt sie zurück in den Beutel, wo sie auf den anderen bräunlichen

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