Staub
Polizistin in so einem Haus leben?«, fragt sie, ohne zu Lucys lachsfarbener Villa im mediterranen Stil hinüberzuschauen. »Was für ein Helikopter? Jetzt sagen Sie nicht, dass Sie auch einen Helikopter besitzen.«
»Mein Gott, Sie sind ganz nah dran«, seufzt Lucy resigniert. »Es ist eine lange Geschichte, und sie hat mit Hollywood zu tun. Ich bin erst vor kurzem von L.A. hierher gezogen. Ich hätte besser in Beverly Hills bleiben sollen, wo ich hingehöre. Aber dieser verdammte Film, verzeihen Sie mir die Ausdrucksweise. Tja, ich bin sicher, Sie haben schon davon gehört, wie aufwändig es ist, einen Film zu machen, und welche Umstände es bedeutet, an Originalschauplätzen zu drehen.«
»Nebenan?« Ihre Augen weiten sich. »Sie wollen nebenan in Ihrem Haus einen Film drehen?«
»Ich finde, es ist keine gute Idee, dieses Gespräch hier draußen zu führen.« Lucy sieht sich vorsichtig um. »Haben Sie was dagegen, wenn ich reinkomme? Aber Sie müssen mir versprechen, dass alles unter uns bleibt. Wenn es sich herumspricht … tja, Sie können es sich ja denken.«
»Ha!« Die Frau deutet mit dem Finger auf Lucy und zeigt beim Lächeln die Zähne. »Ich wusste, dass Sie ein Promi sind.«
»Nein! Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin!«, meint Lucy erschrocken, als sie in das minimalistisch ganz in Weiß eingerichtete Wohnzimmer tritt, dessen Glasfront über zwei Etagen reicht und Blick auf eine mit Granit gepflasterte Terrasse, den Pool und das acht Meter lange Rennboot freigibt. Lucy bezweifelt, dass ihre verwöhnte und eitle Nachbarin überhaupt weiß, wie man das Boot anlässt, geschweige denn damit fährt. Es trägt den Namen It’s Settled und ist sicher auf Grand Cayman registriert, einer Karibikinsel, auf der es keine Einkommensteuer gibt.
»Ein tolles Boot«, sagt Lucy, als sie auf den weißen Möbeln Platz nehmen, die zwischen Himmel und Wasser zu schweben scheinen. Sie legt ein Mobiltelefon auf den Couchtisch aus Glas.
»Es ist aus Italien.« Die Frau lächelt ein verschwörerisches, nicht sehr hübsches Lächeln.
»Erinnert mich an Cannes«, erwidert Lucy.
»Oh, ja, das Filmfestival.«
»Nein, nicht so sehr daran. An die Ville de Cannes, die Boote, und, ach ja, die Jachten. Gleich hinter dem alten Clubhaus kommt man zum Quai Nummer eins. Dort sind die Bootsverleihe Poseidon und Amphitrite, die ihre Hauptfilialen in Marseille haben. Die Jungs, die dort arbeiten, sind sehr nett. Paul fährt einen quietschgelben Pontiac, ein seltener Anblick in Südfrankreich. Man geht einfach an den Lagerschuppen vorbei, biegt zum Quai Nummer vier ein und spaziert weiter bis zum Ende, wo der Leuchtturm steht. Noch nie im Leben habe ich so viele Mangusta und Leopard gesehen. Ich hatte einmal ein Zodiac mit einem ziemlich leistungsstarken Suzuki-Motor. Aber ein größeres Boot? Wer hat Zeit für so was? Tja, Sie vielleicht.« Sie wirft einen Blick auf das Schnellboot, das im Trockendock liegt. »Natürlich haben einen der Sheriff und der Zoll gleich beim Wickel, wenn man hier in diesem Ding schneller als fünfzehn Stundenkilometer fährt.«
Die Nachbarin versteht die Welt nicht mehr. Sie ist hübsch, allerdings nicht auf eine Weise, die Lucy anziehend findet. Außerdem sieht sie sehr reich und verwöhnt aus und ist vermutlich abhängig von Botox, Collagen, Thermobehandlungen und den sonstigen Zauberkunststückchen aus der Trickkiste der Hautärzte. Wahrscheinlich hat sie schon seit Jahren nicht mehr die Stirn gerunzelt. Allerdings ist eine negative Mimik bei ihr ohnehin überflüssig, da der verbitterte und böse Gesichtsausdruck offenbar der Normalzustand ist.
»Wie ich schon sagte, heiße ich Tina. Und Sie?«
»Sie können mich Kate nennen. So nennen mich meine Freunde«, erwidert die verwöhnte reiche Dame. »Ich wohne seit sieben Jahren in diesem Haus und hatte bis jetzt nie ein Problem, außer mit Jeff, der sich zum Glück aus dem Staub gemacht hat, um unter anderem auf den Cayman Islands sein eigenes Leben zu führen. Bestimmt werden Sie mir jetzt gleich eröffnen, dass Sie keine richtige Polizistin sind.«
»Ich muss mich wirklich dafür entschuldigen, dass ich ein bisschen geflunkert habe, aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, damit Sie an die Tür kommen, Kate.«
»Ich habe eine Dienstmarke gesehen.«
»Ja, ich habe sie hochgehalten, damit Sie das denken. Sie ist nicht echt – nicht wirklich. Aber wenn ich eine Rolle einstudiere, versuche ich, sie auch zu
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