Staubige Hölle
hin, der jedoch den Kopf schüttelte. »Darf ich Ihnen etwas sagen, was ich noch nie jemandem gesagt habe?«, fragte Horst in seinem peniblen, übertrieben korrekten Englisch.
»SchieÃen Sie los.« Zondi konnte zuhören. Es war das Reden, womit er seine Schwierigkeiten hatte.
Horst erzählte ihm, dass er vor einigen Jahren im Urlaub nach Thailand gereist war, nach Phuket, zusammen mit seiner Frau Lotte und den beiden Kindern â mit dem achtjährigen Dieter und der fünfzehnjährigen Dorothea. Eines Morgens lieà er sie am Strand zurück, sagte, er müsse noch mal ins Hotel, weil er einen geschäftlichen Anruf zu erledigen habe. Stattdessen ging er in ein Bordell, ein zehnstöckiges Gebäude einige Blocks vom Strand entfernt.
Im Erdgeschoss des Bordells wurden etwa zwanzig Thai-Mädchen hinter Glas ausgestellt wie Ware, mit Preisschildchen um den Hals. Die billigeren trugen Jeans und T-Shirt, die teureren Cocktailkleider und Stöckelschuhe.
»Na ja, und so landete ich dann im zehnten Stock mit einem Mädchen, das wahrscheinlich jünger war als meine Tochter. Sie konnte ihre Beine hinter dem Kopf verschränken, sehr gelenkig. Während ich sie ficke, gibt sie lustige kleine Geräusche von sich. Erinnert mich an die Geräusche, die mein erster Volkswagen an einem kalten Morgen machte, wenn er nicht anspringen wollte.« Horst lachte und stürzte seinen zweiten Drink hinunter.
Zondi balancierte den Becher auf dem Armaturenbrett, öffnete die Tür und wollte fort von diesem Mann und seinem pornographischen Gefasel. Die Innenbeleuchtung ging an, und er sah den gequälten Ausdruck auf dem blutleeren Gesicht des Deutschen.
Horst legte ihm eine Hand auf den Arm. »Warten Sie, bitte. Jetzt kommt der wirklich gute Teil.«
Zondi verharrte, die Beifahrertür immer noch geöffnet.
»Wir vögeln also, und ich höre ein anderes Geräusch. Ein lautes unfassbares Klatschen von Wasser.« Er lachte. »Ja. Der Tsunami.«
Zondi blieb im Wagen. Schloss die Tür. Gab dem Mann seinen Schatten zurück.
Der Deutsche sagte, er sei zum Fenster gestürzt, immer noch ein rotes Kondom auf seinem schrumpelnden Schwanz, und habe die schweren Vorhänge zurückgezogen, die das Zimmer verdunkelten. Konnte zwischen den Häusern einen schmalen Streifen des Strandes sehen, wo seine Familie war. Sah das Wasser und die Autos und die Bäume und die Körper. Sah, wie das Meer sich zurückzog und die zweite Welle zuschlug.
Zondi hob seinen Becher und leerte ihn. Der Deutsche erzählte, wie er durch die Verwüstung geirrt war. In Hotelfoyers gespülte Autos. Nackte Tote in den Bäumen. Tage später identifizierte er die Leichen seiner Frau und seines Sohnes, die in einer behelfsmäÃigen Leichenhalle verwesten. Seine Tochter wurde nie gefunden.
»So«, sagte Horst. »Damit sind Sie mein Beichtvater.«
»Warum ich?«
»Weil Sie ein Wildfremder sind.«
Horst lachte, und Zondi stimmte ein. Wieder öffnete er die Tür und stieg aus dem Wagen. »Danke für den Drink.«
»Sie werden nicht wiederkommen, stimmtâs?«, fragte Horst.
Zondi schüttelte den Kopf und schloss die Tür. Während er sich von dem Mercedes entfernte, fanden seine Finger das gefaltete Fax in seiner Tasche. Er dachte an das Mädchen auf dem Foto. Dachte an den Ort, an dem er seit Jahren nicht mehr gewesen war. Zu Hause. Er schloss seinen BMW auf. Die Blinker leuchteten kurz auf. Das Zwitschern der Alarmanlage wie ein städtischer Vogelruf.
Kapitel 15
Es war noch dunkel, als Sunday die Hütte ihrer Tante verlieÃ, hinauskroch, um Ma Beauty nicht zu wecken, die in dem einen Zimmer schnarchte, in dem sie aÃen und sich wuschen und schliefen. Sunday hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt, um die Kälte des Nebels fernzuhalten, der sich wie Rauch an die Berge klammerte.
Die Hütte lag auf halber Höhe eines felsigen Abhangs, sie sah aus, als sei sie vom Gipfel heruntergerutscht, hätte dann das Interesse verloren. Sunday passierte benachbarte Hütten, ging an dem Gemeinschaftsplumpsklo vorbei, das aus dem Nebel aufragte. Der Gestank menschlicher Fäkalien hing schwer in der Morgenluft. Die Sonne riss ein orangenes Loch in den Himmel, und Sunday sah Ziegen und ein paar magere Kühe, im Nebel ohne Beine.
Sie marschierte zwei Stunden lang, ihre FüÃe fanden die Wege, die sie durch ein
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