Staubige Hölle
dicht mit Hanf bepflanztes Tal führten, über ein ausgetrocknetes Bachbett und einen weiteren Hügel hinauf. Es war taghell, als sie den Gipfel erreichte. Der Nebel war weggebrannt worden und gab den Blick über das Tal frei.
Der Lehmboden der Hütte ihrer Eltern lag wie ein Grabstein auf dem Gipfel des Berges. Ein Teil einer zerfallenden, vom Feuer geschwärzten Wand stand noch, gebeugt wie ein alter Mann im harten Licht. Es war schon Monate her, seit Sunday das letzte Mal hier gewesen war. Sie setzte sich auf den rissigen Boden der Hütte, wo sie die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Zog die Decke um sich zusammen, als sie sich erinnerte.
Es war Abenddämmerung, und ihre Mutter kochte in der Hütte. Bohnen und Maismehl auf einem Petroleumkocher. Sunday, fünf Jahre alt, saà bei ihr auf dem Boden und blätterte in dem Fotoalbum mit den wunderschönen weiÃen Menschen auf dem Umschlag. Ihr Vater war drauÃen und hackte Feuerholz. Sunday hörte, wie seine Axt das Holz spaltete.
Dann hörte sie laute Stimmen. Sie ging zur Tür und schaute hinaus. Sah Männer, die ihren Vater anbrüllten. Sah, wie ein Mann eine Maschinenpistole unter einer Decke hervorhob, die er um die Schultern trug. Sah, wie ihr Vater seine Axt hob. Ehe ihr Vater die Axt senken konnte, erschoss der Mann ihn. Sundays Mutter lief schreiend aus der Hütte und versuchte, zu ihrem Mann zu gelangen. Der Mann erschoss sie. Sie stürzte, wobei etwas Feuchtes aus ihrem Unterleib quoll.
Sunday versteckte sich im Schatten. Sah zu, wie die Männer ihren Cousin töteten, der von dort angelaufen kam, wo er die Ziegen gehütet hatte. Sah, wie sie die Hütte anzündeten. Die Flammen hüpften wie tanzende Teufel in der schwarzen Nacht.
Dann waren die Männer fort. Sunday setzte sich neben ihre Mutter, weinte und schaute zu, wie die Hütte völlig niederbrannte. Hielt die Hand ihrer Mutter. Eine Hand, die kalt war, als die Morgensonne den Rauchschleier auflöste.
Sie sah den angebrannten Rest des Fotoalbums auf dem geschwärzten Boden der Hütte liegen. Drückte es an ihre Brust, während sie in den Ort hinunterging. Sie verirrte sich, und sie benötigte Stunden, bevor sie an der Polizeistation eintraf. Ein riesiger Mann in einer blauen Uniform hob sie hoch und setzte sie auf die Theke der Wache. Er hörte sich ihre Geschichte an und rief andere Männer.
Sie steckten Sunday in einen weiÃen Truck, wo sie zwischen zwei Polizisten saÃ. Zwei weitere saÃen hinten, kauerten unter dem niedrigen Dach. Sie zeigte ihnen den Weg, und sie fuhren zum Fuà des Berges, bis sie nicht mehr weiterfahren konnten. Man sagte ihr, sie solle mit dem fetten Polizisten warten, der froh schien, nicht mit den Berg hinaufsteigen zu müssen. Die anderen Männer marschierten hoch.
Es war sehr heiÃ, und die Schatten der Aloen warfen bereits lange schwarze Linien über die Felsen und den Sand, als Sunday sie zurückkehren sah. Die drei schwitzenden Männer trugen jeweils einen Körper auf dem Rücken. Sie legten die Leichen ihrer Mutter und ihres Vaters und ihres Cousins in den Sand. Die Körper waren steif wie Bretter, Arme und Beine abgespreizt wie bei Vogelscheuchen.
Der fette Polizist nahm Sundays Hand, führte sie fort und drückte ihr Gesicht an seinen weichen Bauch. Aber sie linste unter seinem Arm hervor, roch seinen SchweiÃ, der wie altes Fleisch stank. Und sie sah, wie die Männer die Beine und Arme der steifen Leichen mit Hilfe von Steinen brachen, damit sie sie auf die Ladefläche des Trucks bekamen.
Wie sie jetzt in den Ruinen der Hütte saÃ, sah Sunday das Gesicht des Mannes mit der Maschinenpistole, heià in den Flammen des Feuers. Das Gesicht des Mannes, den sie in fünf Tagen heiraten sollte.
Kapitel 16
»Kaution abgelehnt.«
Dell verstand nicht, was er da hörte. Die Worte drangen nicht durch den Nebel aus Trauer und Schmerz, in den er wie in einen Mantel gehüllt war. Begriff nicht, dass alles gewaltig schiefgegangen war, bis er die schrille Stimme des jungen Anwalts hörte. »Euer Ehren, das ist absurd! Bei Mr. Dell besteht keinerlei Fluchtgefahr, und darüber hinaus ist er ein aufrechtes Mitglied der Gemeinschaft.«
Der Richter, ein khakifarbener Mann mit Schuppen wie eine dichte Schneedecke auf den Schultern der schwarzen Robe, linste über seine Brille hinweg. »So lautet meine Entscheidung. Auf
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