Stauffenbergs Gefaehrten
Verletzte wanken aus der zerstörten Baracke und rufen um Hilfe. Während der Attentäter in dem Glauben abgefahren ist, Hitler sei tot, sieht Fellgiebel zu seinem Entsetzen den Diktator Minuten später umherirren. Diesen Fall haben die Verschwörer nicht eingeplant. Sollte Fellgiebel nun den Staatsstreich abblasen? Doch mit dem Anschlag hat sich der militärische Widerstand zu erkennen gegeben, und Stauffenberg sitzt bereits unerreichbar im Flugzeug nach Berlin.
Ausgerechnet Hitlers Umfeld hilft Fellgiebel bei seiner Entscheidung, indem Nikolaus von Below, Adjutant der Luftwaffe bei Hitler (und selbst verletzt), sowie wenig später Himmler anordnen, bis auf Widerruf eine Nachrichtensperre zu verhängen. Sander lässt sofort alle Stöpsel aus den Klappschränken in der Vermittlung reiÃen und befiehlt den Telefonisten, zwei Meter Abstand von ihren Schränken einzuhalten. Das kommt Fellgiebel entgegen. Er hat die Geistesgegenwart, den Staatsstreich anlaufen zu lassen â solange es geht, denn das Ãberleben Hitlers hat alles geändert. Niemand aus dessen Umgebung wird von Fellgiebel Befehle annehmen. Aber vielleicht würde er den anderen Verschwörern den entscheidenden Handlungsspielraum verschaffen.
Erich Fellgiebel telefoniert erneut mit Hahn im »Mauerwald«, teilt diesem mit, dass Hitler lebt, und weist den Mitstreiter an, der verunsichert nachfragt, was sie jetzt tun sollen, alles zu blockieren. Wie es geplant ist. Fellgiebel belässt es bei Andeutungen, denn die Leitungen werden überwacht, und die Unbeteiligten in der Nachrichtenzentrale sollen keinen Verdacht schöpfen. AnschlieÃend eilt er zurück zum OKH , um weitere MaÃnahmen einzuleiten.
Es werden die wichtigen Verstärkerämter »Anna« im »Mauerwald« und »Emma« in Lötzen abgeschaltet und die Klemmverbindungen getrennt, über die Gespräche zum Hauptquartier und zum OKH vermittelt werden. Um das zu überwachen, schickt Arntz, Fellgiebels Ordonnanzoffizier, einen weiteren Mitstreiter zu »Anna«, um »Emma« kümmert er sich selbst. Die Ãmter Insterburg und Rastenburg übernimmt Fellgiebel, wenn auch die vollständige Sperre nicht durchzusetzen ist. Die Mitstreiter in Zossen erfüllen ebenso ihre Aufgabe. Die Leitungen zum Hauptquartier werden unterbrochen, die zum »Mauerwald« und damit zu Fellgiebel bleiben für die Verschwörung eingeschränkt nutzbar. Major Heinz Burchardt, der Leiter der Zentralgruppe, schickt von Zossen aus sogar zwanzig Mann in den Bendlerblock, um von dort aus Einrichtungen wie den Rundfunk besetzen zu können.
Generalleutnant Fritz Thiele, der in der Berliner Zentrale der Verschwörung die Nachrichtenverbindungen verantwortet, zeigt allerdings Nerven. Fellgiebel hat ihn gegen 13.30 Uhr erreicht. Obwohl Thiele vom gescheiterten Attentat erfährt und merkt, dass Fellgiebel trotzdem aufs Ganze gehen will, behält er das zunächst für sich und verlässt zeitweise den Bendlerblock zum Nachdenken. Offensichtlich versteht er Fellgiebels â im Beisein des nicht eingeweihten Sander â gesprochenen Satz »Es ist etwas Furchtbares passiert, der Führer lebt!« nicht als Aufforderung, weiter wie geplant vorzugehen. Oder will es nicht verstehen.
Thiele hebt sogar die Nachrichtensperre wieder auf, zu einem Zeitpunkt, als die Aktionen seiner Mitverschwörer nach Stauffenbergs Ankunft in Berlin anlaufen. Hat er den Kopf verloren? Hat ihn die veränderte Lage schwankend werden lassen, weil er weiÃ, dass jemand wie Generaloberst Friedrich Fromm, der Chef des Ersatzheeres, seine Mitarbeit verweigern würde, wenn er von Hitlers Ãberleben hört? Oder hofft er gar, damit seine Haut zu retten?
Als Fellgiebel vom Verhalten Thieles hört, sagt er zu Vertrauten, die das so überliefern: »Damit kommt Thiele nicht durch. So kann man es nicht machen â weder als Mensch noch als Offizier.« Er soll auf grausame Weise recht behalten: Thiele wird am gleichen Tag gehenkt wie er. Fellgiebel wird noch am 20. Juli 1944 verhört und in der folgenden Nacht festgenommen, weil sein Treffen mit Stauffenberg aufgefallen ist. Auf einer später entdeckten Liste ist er im Falle eines Gelingens zudem als Postminister vorgesehen. Das Angebot seines Ordonnanzoffiziers Arntz, ihm eine Pistole zu geben, lehnt Fellgiebel ab: »Man steht, man tut das nicht.« Helmut Arntz, im Zivilberuf
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