Stauffenbergs Gefaehrten
Sprachwissenschaftler, der sich auf Indogermanistik spezialisiert hatte, dem NS -Regime durchaus diente, mit ihm aber in Konflikt geraten war, weil er die offizielle Runenkunde ablehnte, wonach die Wiege der Sprache in Deutschland gestanden habe, überlebt den Krieg. Von ihm stammen wesentliche Schilderungen über die Fellgiebel-Gruppe am 20. Juli. Er selbst wird nach 1945 Experte für wissenschaftliche Farbfotografie, Dokumentation und schlieÃlich Referent im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.
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Wer eine Verschwörung unter den Bedingungen des Krieges vorbereitet, dazu hoch konspirativ, hat keine Möglichkeit, umfangreiche Vorbereitungen zu treffen, denn die wären schwer geheim zu halten. Aus dem gleichen Grund haben Fellgiebel und seine Mitverschwörer den Kreis der Mitwisser klein gehalten und auf vertrauenswürdige Offiziere beschränkt, auch wenn niedere Dienstgrade durch ihre alltägliche Arbeit mehr Erfahrung im Umgang mit der komplizierten Nachrichtentechnik hatten. Gleichwohl waren die Vorbereitungen so umfangreich, wie Fellgiebel und seine Leute es verantworten konnten, um die geplante Aktion dann auch durchzuführen. Wie sind dann die Vorwürfe zu erklären, Fellgiebel habe versagt? Sie kommen, worauf der Historiker Peter Hoffmann richtig hinweist, nicht aus erster Hand, sondern vom Hörensagen. Keine der Personen, die an vorbereitenden Treffen teilgenommen haben, bis in den Juli 1944 hinein, haben je darüber berichtet, Fellgiebel habe ihnen die Zerstörung der Nachrichtenvermittlung im Sperrkreis I der »Wolfschanze« zugesagt. Zur Verunglimpfung beigetragen haben neben dem Ziel, Fellgiebel zu diskreditieren, auch die Unkenntnis von Sander und anderen Nichteingeweihten über dessen Rolle und eine falsche Deutung seines Verhaltens, nicht zuletzt, weil Fellgiebel bei Telefonaten eine zuvor verabredete Geheimsprache verwendet hat. So erinnert sich Sander, dass Fellgiebel ihm im Hauptquartier mit Verzögerung gefolgt sei. Aber das war kein Zeichen für Verunsicherung. Wahrscheinlich erklärt sich das Verhalten Fellgiebels damit, dass er zuvor mit Hahn telefoniert hat, um Anweisungen zu geben, ehe er Sander folgte. Und natürlich haben Fellgiebel und Hahn vor der Gestapo ausgesagt, sie hätten sich darauf geeinigt zu handeln, »wenn der Umsturz« erfolgt ist, und keine groÃen Vorbereitungen gebraucht. Das diente aber dem Ziel, ihre langfristigen Planungen zu verschleiern und Mitverschworene vor dem Zugriff des NS -Regimes zu schützen.
Erich Fellgiebel war derjenige, der aufgrund seiner Position den engsten persönlichen Kontakt zu Hitler hatte. Deshalb trifft dessen Rache ihn besonders, aber auch Fellgiebels Familie. Ehefrau Cläre und Sohn Gert werden am 30. Juli verhaftet und zweieinhalb Monate festgehalten. Tochter Susanne, die in Görlitz arbeitet, kommt neun Wochen in Einzelhaft. Ihren 20. Geburtstag am 2. September kann sie nicht feiern. Aber dem Vater gelingt es, ihr einen kurzen Gruà aus der Todeszelle zukommen zu lassen, wenige Tage vor seiner Hinrichtung am 4. September. In Haft kommen auch Sohn Walther-Peer und dessen Frau Rosemarie sowie Erichs Bruder Hans und dessen Frau Frieda. Wie Walther-Peer später erzählt, habe er seinen Vater in der Berliner Gestapo-Zentrale in der Nachbarzelle unruhig umherlaufen hören. Erich Fellgiebel trägt seit einem schweren Autounfall 1928 ein Metallgestell an einem Unterschenkel und hat dadurch einen akustisch unverwechselbaren Gang. Härter trifft es Walther-Peers Halbbruder Gert. Nach der Haft zum Arbeitsdienst abkommandiert, wird er schwer krank, aber trotzdem nicht geschont, sondern kurz vor Kriegsende zu einem Einsatz geschickt, bei dem er ums Leben kommt â im Alter von 17 Jahren. Er ist möglicherweise der Einzige aus der Familie, der bis zur Verhaftung von der Rolle des Vaters im Widerstand gewusst hat. Denn Fellgiebel hat ihn kurz vor dem Attentat zu sich geholt und ist mit seinem jüngsten Sohn ausgeritten. Eine ungewöhnliche Geste, meint Gerts Schwester Susanne. Leider habe sie nie erfahren, über was sich die beiden unterhielten.
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Erich Fellgiebels Tochter Susanne Potel in Berlin vor einer Wand mit Porträts ihres Vaters
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Sie selbst sorgt Anfang 1945 für ein Stück Normalität und Hoffnung in der Familie: Susanne heiratet am 6. Februar den Offizier Klaus Potel. Beide haben sich über einen Kameraden ihres
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