Stauffenbergs Gefaehrten
auszutauschen. Hauptmann Hans Fellgiebel, dessen offizielle Aufgabe es ist, hinter der Front Pferde für den Militäreinsatz zu requirieren, unterstützt somit indirekt die Aktivitäten seines Bruders. Er selbst wird von den polnischen Angestellten geschätzt, weil er sich ihnen gegenüber anständig verhält. Das sorgt immer wieder für Unverständnis bei seinen Vorgesetzten, und dann muss Bruder Erich die Wogen glätten. Einmal wird der von seiner Schwägerin Frieda gefragt, wie lange der Krieg mit all dem Elend noch dauern werde und ob man nicht irgendetwas dagegen unternehmen könne. Erich Fellgiebels Antwort: »Wir machen das schon.«
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IV.
Von Beginn an sind Fellgiebels Aufgaben klar umrissen. Er soll und will dafür sorgen, dass die Kommunikation des Hauptquartiers in den ersten Stunden so behindert wird, dass es handlungsunfähig ist, wohingegen Anweisungen der Mitverschworenen reibungslos durchgehen. Etwas zerstören oder gar sprengen, wie später behauptet wird, soll er nicht; das hätte auch gar nicht funktioniert, was niemand besser weià als Fellgiebel. Die Kommunikation der Wehrmacht ist von ihm bewusst dezentral aufgebaut worden und damit nahezu sicher gegen Sabotage. Der Ausfall einer Zentrale kann von anderen Strukturen im Nachrichtennetz kompensiert werden â ein Ergebnis von Fellgiebels Perfektionismus. AuÃerdem gibt es Sonderleitungen und Netze, auf die er keinen Zugriff hat, etwa von Hitler selbst, aber auch von der Luftwaffe und der SS .
Im Vertrauen auf das Gelingen des Attentats und auf das Chaos, das es in den ersten Stunden auslösen wird, nimmt sich Erich Fellgiebel vor, je nach Lage aktiv einzugreifen. Er baut auf sein Wissen und die Zuverlässigkeit der Mitstreiter.
Im Laufe des 18. Juli 1944 ist klar, dass das Attentat auf Hitler nach zwei vergeblichen Anläufen am übernächsten Tag noch einmal versucht werden soll. Möglicherweise überbringt Fellgiebel seinem Mitstreiter Lehndorff persönlich die Mitteilung, als er an diesem Tag, getarnt als Geburtstagsbesuch, in Schloss Steinort weilt. Die Zeit zur Vorbereitung ist denkbar knapp. Er muss die anderen noch detailliert in ihre Aufgaben einweisen, denn aus Sicherheitsgründen kennen sie die Planung nur grob. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Teil des OKH und damit der Nachrichteneinheiten aufgrund der Kriegslage gerade nach Zossen bei Berlin verlegt wird und die Verbindung zum Hauptquartier nun über zwei Zentralen möglich ist. Fellgiebel hat zwar auch in Zossen seine Leute sitzen, aber die räumliche Trennung ist alles andere als optimal. Ein Offizier erinnert sich an den Ausruf des Fellgiebel-Vertrauten Hahn kurz nach 15 Uhr am 20. Juli, dieser Tag sei technisch für das Attentat der allerungünstigste gewesen.
Am 20. Juli kommt Erich Fellgiebel früh vom »Mauerwald« mit der Draisine und durch Tor II A in Hitlers Hauptquartier. Besondere Anforderungen an den dort zuständigen Nachrichtenoffizier Sander hat er nicht, was diesen wundert. Auch wirkt Fellgiebel ungewohnt angespannt, wie Sander später zu Protokoll gibt. Die Anspannung steigt, als wegen des bevorstehenden Mussolini-Besuchs die Lagebesprechung bei Hitler überraschend eine halbe Stunde vorgezogen wird. Daher können sich Fellgiebel und Stauffenberg bei dessen Ankunft nicht mehr ausführlich verständigen, zum Beispiel darüber, wo das Auto stehen wird, das Stauffenberg und seinen Begleiter Haeften nach dem Attentat schnell zum Flughafen bringen soll. Fellgiebel lässt deshalb verabredungsgemäà in der Lagebaracke anrufen und Stauffenberg ausrichten, er möge zu Sander in die Nachrichtenzentrale kommen. Diesen bittet Fellgiebel, ein Auto zu besorgen. Das alles geht scheinbar nicht ohne eine gewisse Hektik ab, in einem unbeobachteten Augenblick aber gibt Fellgiebel seinem Stabschef Hahn im »Mauerwald« das vereinbarte Code-Wort durch: »Das Nachrichtengerät geht ab« â der Anschlag findet statt.
Nachdem Stauffenberg seine Aktentasche mit der Bombe platziert und den Raum verlassen hat, wartet er zusammen mit Fellgiebel vor der Nachrichtenzentrale auf die Detonation, die gegen 12.42 Uhr erfolgt. Beide zucken bei der Explosion zusammen, was Sander, der sich zu ihnen gesellt hat, ausdrücklich registriert und bei erfahrenen Frontoffizieren nicht erwartet. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Stauffenberg gibt vor, dringend wegzumüssen,
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