Stauffenbergs Gefaehrten
OKW ) und viele Stabstellen der SA und SS befinden, hätte auf ihm eine enorme Verantwortung gelastet.
Ursula ist an diesem 20. Juli 1944 in Königsberg. Bei einer Bekannten der Familie, selbst eine NS -Gegnerin, hört sie die Nachricht vom Attentat und seinem Scheitern. Mit unruhigen Gedanken und bösen Vorahnungen fährt sie zurück. »Als ich nach Hause kam, fand ich das Nest leer, muÃte aber noch fünf Tage warten, bis zwei Kommissare zur Hausdurchsuchung kamen.« Merkwürdig souverän und unerschüttert übernimmt sie im Elternhaus die Rolle der Verantwortlichen, beruhigt die Angestellten, versorgt die Tiere, gibt Anweisungen für den täglichen Arbeitsablauf. Für die Aufklärung des Attentats erscheint die junge Dame der Gestapo als unergiebig. Erst am 9. August 1944 kommt auch sie ins Gefängnis von Königsberg. Zunächst wird die 21-Jährige mit ihrer Mutter in eine Zelle gesperrt, danach teilt sie die Zelle mit Sissi Dönhoff, der Schwester von Heinrich Graf Lehndorff, der gleich neben Dohna als militärischer Verbindungsoffizier für den Wehrkreis I oben auf der Liste steht und nach seinem ersten Fluchtversuch ebenfalls in Königsberg einsitzt. Beide Familien sind miteinander verwandt, ihre Güter Tolksdorf und Steinort liegen jeweils nur 14 beziehungsweise 20 Kilometer von der »Wolfschanze« entfernt.
Lothar erfährt erst auf Umwegen durch Verwandte von alledem. Er ist an der Front und dann mehrfach im Lazarett. Von General Ernst Maisel, dem Chef der politischen Abteilung des Heerespersonalamtes, wird der junge Offizier im Januar 1945 in Lübben/Spreewald vorgeladen. Die Forderung an ihn lautet, er solle umgehend das Urteil über seinen Vater als »gerecht« anerkennen, ansonsten müsse er sich zum Einsatz an der Front melden, um mit seinem Tod »den Ehrenschild der Familie wieder reinzuwaschen«. Diese Verfügung, die jungen Söhne der Verschwörer in ein Strafbataillon zu schicken, gehört zur Sippenhaftpraxis der nach Rache dürstenden NS -Führung. Bis heute erinnert sich Lothar an das kalte Gefühl, das ihn damals überkam: »Dieser General erniedrigt sich zum Dienstleister der Nazis! Ich fühlte mich aber gar nicht bedroht. Ich fühlte mich merkwürdig geschützt â wie in einem Panzer.« Da er noch verwundet ist und als Verwundeter nicht eingezogen werden kann, entgeht er zunächst dem Strafbataillon.
Kurze Zeit später gelingt es ihm sogar, auf die Wirkung seines Gipsverbandes bauend, in die Gestapo-Zentrale in der Berliner Prinz-Albrecht-StraÃe zu Obersturmbannführer Berndorff vorzudringen, um nach dem Verbleib seiner Mutter zu forschen. Am 17. Januar 1945 erhält er eine höflich-förmliche Antwort:
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Auf Ihre Anfrage in Angelegenheit Ihrer Frau Mutter teile ich ergebenst mit, daà die Festnahme wegen staatsfeindlichen Verhaltens erfolgt ist. Die Festgenommene hatte dazu in unerhörter Offenheit über die nationalsozialistische Bewegung hergezogen. Da bei der Stellung der Festgenommenen dieses Verhalten gerade in der heutigen Zeit geeignet ist, den z. Zt. mehr denn je erforderlichen Zusammenhalt im Volk zu untergraben und das Vertrauen zur Staatsführung zu unterbinden, bedauere ich Ihnen mitteilen zu müssen, daà im Augenblick keine Möglichkeit zur Entlassung gegeben ist â¦
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Die Mutter gilt also selbst als Staatsfeindin, nicht nur als Sippenhäftling. Trotz dieser ernüchternden Antwort gelingt es sowohl Ursula als auch ihrem Bruder wenig später auf abenteuerliche Weise, ihre Mutter im KZ zu sprechen. Schon die Auskunft zu erlangen, wo sie inhaftiert ist, gleicht einer Irrfahrt. Einer der Beamten, bei dem Ursula vorspricht, fragt sie unvermittelt, ob sie die Mecklenburger Seenplatte kenne, da sei es doch sehr schön, da müsse sie unbedingt mal hinfahren. Von einer resoluten Schwester ihrer Mutter erhält sie dann auf einer Postkarte den Hinweis auf das Lager Ravensbrück mit dem verklausulierten Zusatz »Die Kinder haben Grippe. Kommissar Borchert ist übrigens zugänglich« â und dann folgen ein paar belanglose Bemerkungen über das Wetter. Als sie diese Nachricht erhält, ist Ursula, die am 15. Oktober 1944 aus der Sippenhaft entlassen wurde, längst, fast auf sich allein gestellt, mit einem Treck auf dem Weg nach Westen. Sie ist gerade in Mecklenburg angekommen.
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Ich bin dann mit meiner Cousine
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