Stauffenbergs Gefaehrten
soziale Vorstellungen die Verschwörer trennten. Diejenigen, mit denen wir hauptsächlich Fühlung hatten, schienen rechts gerichtet. Glücklicherweise waren unsere Informationen aber nicht ganz einseitig und Gisevius, der gründlich von der preuÃischen Militärkaste genug hatte, warnte uns ständig, wir sollten ja nicht annehmen, die »breakers« seien nur ein militärischer Klub. Er erzählte uns, daà der Sozialist Leuschner in der Verschwörung zunehmend mehr Einfluà geltend mache ⦠17
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Das ist die Ausgangssituation aus der Sicht von Dulles/Gisevius unmittelbar vor dem 20. Juli. Diese Einschätzung beruht mindestens so sehr auf eigenen politischen Phantasien und Befürchtungen wie auf konkreten Informationen vom realen Aktionszentrum der Verschwörer in der Mitte des Jahres1944 , das Gisevius weitgehend gar nicht persönlich kennt. Die Nachricht, dass ein Attentat und damit verbunden der Staatsstreich unmittelbar bevorsteht, erhält Gisevius am 9. Juli 1944 von Strünck. Es wird ihm aber von Hansen, dem Nachfolger des kaltgestellten Abwehrchefs Canaris, mitgeteilt, dass er aus Sicherheitsgründen bis auf weiteres in der Schweiz abwarten soll, bis man ihn rufen wird.
Gisevius denkt nicht daran abzuwarten. Seit 1938 ist er in das Komplott eingeweiht, und jetzt, wo die Sache zur Entscheidung kommt, will er dabei sein. Vor allem aber will er mitmischen, welche politische Richtung der ganze Staatsstreich nimmt. Er hinterlässt über Waetjen eine »umfangreiche Ausarbeitung für Dulles«, worin er ein düsteres Bild über die Lage in Deutschland malt, bei der schnell ein Umschwung von der NS -Revolution zur bolschewistischen Massenerhebung erfolgen könne. »Die Gefahr besteht, daà die enttäuschten Menschen von einer Revolutionspsychose in die nächste hinüberwechseln ⦠Es ist durchaus möglich, daà sich die proletarisierten Massen mit dem Mut und der Wut der Verzweiflung in neue ideologische Abenteuer stürzen ⦠Die Hitlerrevolution endet also nicht in einem sogenannten âºRuck nach links⹠⦠Sie mündet ideologisch und materiell in die leninâsche Weltrevolution.« 18
Die weiteren Geschehnisse hat Gisevius selbst ausführlich in seinem Buch Bis zum bitteren Ende in eigener Darstellung und Interpretation festgehalten. 19 Diese höchst subjektive Schilderung der Tage vom 11. bis 20. Juli ist fast wie ein filmisches Drehbuch verfasst.
Es gelingt ihm tatsächlich, am 11. Juli â zusammen mit dem Ehepaar Strünck â ungehindert per Bahn die Grenze zu überqueren. Obwohl die drei kontrolliert werden, gelangen sie unerkannt nach Berlin.
Am 12. Juli trifft Gisevius als Erstes den Polizeichef Helldorf in dessen Büro am Alexanderplatz und erfährt von ihm, dass am 11. Juli ein Attentatsversuch gescheitert ist. Helldorf, so Gisevius, sei gegenüber der »ganzen Clique« Stauffenbergs und Schulenburgs voller Misstrauen. Er fühle sich von den Planungen durch die junge Offiziersgarde, die jetzt das Attentat plane, ausgeschlossen. Noch am selben Nachmittag gegen 16 Uhr fährt Gisevius zu Beck in die GoethestraÃe in Lichterfelde. »Na, endlich!«, soll Beck gesagt haben, als er sieht, wer der gemeldete »Dr. Lange« ist. Sie verabreden sich jedoch für den nächsten Tag, da Beck am Abend in der Mittwochsgesellschaft noch die Mitverschwörer Johannes Popitz und Ulrich von Hassell treffen will. Beck scheint optimistisch und bezeichnet Stauffenberg als eine »auÃerordentliche Hilfe«, als einen, »der wirklich aufs Ganze geht«.
Gegen 18 Uhr desselben Tages trifft Gisevius in der Wohnung Strüncks erst Goerdeler, der sich skeptisch und persönlich gekränkt über Stauffenberg äuÃert â so wiederum die Wiedergabe durch Gisevius. Er, Goerdeler, habe den Eindruck, dieser junge Mann wolle Deutschland durch »politische Offiziere« retten. »Auf eine kurze Formel gebracht, die Nation soll soldatisch bleiben und sozialistisch werden.«
Gisevius findet bei aller Anspannung noch Zeit, seine eigenen politischen und beruflichen Ambitionen anzusprechen. Er notiert: Goerdeler wolle ihn als Staatssekretär in der Reichskanzlei haben, daneben solle er das »Reichskommissariat zur Säuberung und Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung« verwalten. Gisevius aber weist, nur zur Klarstellung, darauf hin, an sich sei verabredet
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