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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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worden, dass er Becks rechte Hand werden solle – an der Spitze der Übergangsregierung.
    Gegen Mitternacht erscheint in der Wohnung Strüncks schließlich der mit so viel Vorschussmisstrauen bedachte Stauffenberg zusammen mit Hansen. Es spricht für die Intuition Stauffenbergs, dass er bei diesem allerersten Treffen zu später Nachtstunde Gisevius gleich als einen Menschen einschätzt, vor dem er sich in Acht nehmen muss. Der aber wird noch mit dem sicheren Abstand von Jahren später über ihn schreiben: »Soll ich ehrlich sein, ich würde den jungen Oberst weder als Abbild eines Offiziers von ehedem bezeichnen noch als glaubwürdigen Vertreter einer den Nazis innerlich entfremdeten, heranwachsenden Generation. Nein, dieser Stauffenberg, zweifellos ein Draufgänger, der weiß, was er will, fanatisch, wirkt geradezu als der Typ des ›neuen‹ Generalstäblers, so wie ihn sich Hitler nicht besser wünschen könnte – oder wie der geschaffene Attentäter.« 20
    Es kommt zum Eklat zwischen beiden, als Gisevius über Stauffenberg dem General Olbricht ausrichten lässt, er »stünde ihm jederzeit zur Verfügung«. Stauffenberg weist ihn an, sich nirgendwo im Aktionszentrum blicken zu lassen, sei ihm selbst doch – nach seinen eigenen dramatischen Angaben – die Gestapo unerbittlich auf den Fersen. Gisevius wird sich auch daran nicht halten. Die Autorität von Stauffenberg erkennt er nicht an.
    Allein bei Beck, dem Chef des Umsturzes, ist er vom 13. bis zum 19. Juli an jedem einzelnen Tag in der Privatwohnung in Lichterfelde, deren Überwachung man jedenfalls befürchten muss. Hartnäckig versucht er, Becks Vertrauen in die Loyalität und Fähigkeit Stauffenbergs zu erschüttern.
    Am 13. Juli weist er ihn auf die Bedenken Nebes und Helldorfs hin, sie, die obersten Polizeikräfte, seien nicht ausreichend genug in die Planung der Militärs einbezogen. Er moniert, die Verschwörer nutzten längst überholte Straßenkarten, hätten sich also schlampig vorbereitet.
    Am 14. Juli, einen Tag vor dem nächsten Attentatstermin, bringt er den Abwehrchef Hansen mit, dem, so Gisevius, auch längst Zweifel an der ganzen Planung gekommen seien, die er gern Beck persönlich vortragen möchte. (Hansen wird es denn auch vorziehen, am 20. Juli nicht in Berlin zu sein. Das rettet ihn aber nicht vor Hitlers Schergen.)
    Am 15. Juli, als Attentat und Staatsstreich ein weiteres Mal abgebrochen werden müssen, da Himmler und Göring nicht mit im Raum sind, ist er zusammen mit Goerdeler bei Beck. Die drei warten fieberhaft auf Nachrichten aus dem Bendlerblock. In der Zwischenzeit verwerfen sie einen Redeentwurf, den Stauffenberg gemacht hat und den Gisevius als völlig unpassend abtut. Unter anderem auf seine Anregung hin skizziert Goerdeler einen neuen Aufruf. »Goerdeler«, so Gisevius, »ist ein ausgezeichneter Stilist. Klassisch sind seine Formulierungen in ihrer Eindringlichkeit und Kürze. Keine überflüssigen Begründungen. Kein falsches Pathos. Keine ›Politik‹.« (Nicht alle Kenner von Goerdelers zahlreichen Memoranden teilen diese Ansicht.)
    Am Abend treffen Gisevius und Goerdeler den Grafen Helldorf, wieder bei Strünck. Zusammen analysieren sie von ferne, Stauffenberg, der in den letzten Tagen sehr nervös gewesen sei, müsse eine »psychische Ladehemmung« gehabt haben. 21 Am nächsten Tag, wieder bei Beck, wird dafür den Aufzeichnungen von Gisevius zufolge das Bild gebraucht, ein Pferd, das zweimal verweigert habe, werde schwerlich beim dritten Mal den Sprung wagen.
    In dieser Runde bei Strünck unterbreitet Gisevius noch einmal die Idee einer »Westlösung«, über die er mit seinen »Freunden in der Schweiz« gesprochen habe. »Westlösung«, so führt er nun aus, das bedeute: Verzicht auf das Attentat und die Staatsstreichaktion im Bendlerblock zugunsten eines einseitigen Handelns im Westen. »Praktisch hieße das, die Front im Westen wird aufgerissen, die angelsächsischen Truppen fluten mehr oder minder kampflos über die Siegfriedlinie nach Deutschland herein. Das mindeste ist, sie erreichen Berlin eher als die Russen. Gewiß, darin liegt beinahe noch mehr enthalten als in der bedingungslosen Kapitulation. Auch müssen wir mit offenem Bürgerkrieg rechnen. Die Dolchstoßlegende wird aufs Neue ihr Unwesen treiben. Aber wie viel Blut

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