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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Türen. Frau Stolze habe sich freiwillig in die geschlossene Abteilung begeben, wurde er informiert. Suizidgefahr. Auf der Station nahm ihn eine Ärztin mittleren Alters in Empfang.
    «Ich bräuchte einen eigenen, abgetrennten Raum für die Vernehmung», erläuterte Winter der Ärztin. Das kam nicht gut an.
    «Wir sind hier nicht im Hotel», entrüstete sich die Frau. «Wir haben hier keine leeren Räume.»
    «Sie könnten mir so lange Ihr Büro überlassen», schlug Winter vor. Doch von dem Augenblick an war er bei der Ärztin ganz unten durch.
    «Würden Sie mir auch Ihres überlassen?», fragte sie kühl zurück.
    «In einer vergleichbaren Situation, ja», behauptete Winter.
    «In meinem Büro lagern vertrauliche Patientenakten», erklärte die Ärztin scharf, «ich dürfte Sie dort gar nicht allein lassen.»
    «Für gewöhnlich haben Aktenschränke Schlüssel und Computer Passwörter», erklärte Winter. Er wusste genau, dass er sie damit nur noch mehr reizte. Aber diese Frau brachte ihn auf die Palme.
    Schließlich gesellte sich eine junge Stationspsychologin mit kurzen roten Haaren dazu, die sich schnell bereit erklärte, ihr eigenes Büro für eine Stunde zu räumen. «Und pass auf, dass er die Patientin nicht überlastet», wies die Ärztin die Psychologin an. Die übernahm jetzt glücklicherweise die Regie und führte Winter zu ihrem Büro.
    «Wie lautet denn die Diagnose bei der Frau Stolze?», fragte Winter auf dem Weg dorthin. Die auf Krawall gebürstete Ärztin wäre ihm garantiert mit Vertraulichkeit gekommen. Die junge Psychologin aber sah das pragmatisch. «Ist noch nicht sicher diagnostiziert. Wahrscheinlich posttraumatische Belastungsstörung, Angstneurose und Depressionen. Das hängt natürlich alles zusammen.»
    Winter nickte. Also keine Schizophrenie. Nichts, womit Frau Stolze vor Gericht auf verminderte Schuldfähigkeit plädieren könnte.
    «Was Sie wissen sollten», fuhr die Psychologin fort, «Frau Stolze steht unter Antibiotika und starken Beruhigungsmitteln. Sie hat einen großen Schock erlitten und ist emotional gerade sehr labil. Körperlich ist sie auch noch etwas krank. Das Gespräch wird sie belasten und sollte nicht länger als eine halbe Stunde dauern. – Okay, nehmen Sie diesen Stuhl. Ich bringe Ihnen dann die Patientin.»
    Die trug zu Winters Schrecken Papierkleidung wie für Operationen. «Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug», begann Sabine Stolze in tiefer Scham. «Ich konnte keine Tasche packen und habe nichts mitgenommen außer dem, was ich am Leib hatte. Und das ist noch in der Wäscherei.»
    «Wir werden Ihnen heute noch was bringen lassen», kündigte Winter bestürzt an. Wahrscheinlich hätte er sich darum kümmern müssen, dass Frau Stolze Kleider bekam. Die Klinik tat es offenbar nicht. Und das Stolze’sche Haus war polizeilich versiegelt.
    Sabine Stolze hatte unter dem mittelblond gesträhnten Haar ein feingeschnittenes Gesicht mit länglicher, schmaler Nase, das um die Augen etwas aufgedunsen und starr wirkte. Möglicherweise waren die Beruhigungsmittel daran schuld. Gegen die Angst jedoch schienen die Medikamente wenig zu helfen. Als die Verdächtige saß, sah sie Winter unter verschwollenen Lidern völlig verschreckt an. So als warte sie auf die erste Gelegenheit, die Flucht zu ergreifen.
    «Frau Stolze, ich weiß, dass es Ihnen nicht gutgeht. Wir würden jetzt trotzdem eine Vernehmung machen. Sie können aber jederzeit sagen, wenn Sie abbrechen wollen. Ist das okay?»
    Sabine Stolze nickte.
    «Gut. Ich muss Sie jetzt über Ihre Rechte belehren, das ist eine Formalie, lassen Sie sich davon nicht irritieren.» Er justierte das Mikro und belehrte sie als Tatverdächtige. Dann stellte er seine erste Frage: «Frau Stolze, kennen Sie einen Werner Geibel?»
    «Ja», sagte sie und nickte heftig, wie eine übereifrige Schülerin; verbesserte sich dann: «Nein, also, ja, ich weiß, wer das ist, aber ich habe ihn nie gesehen. Jedenfalls bis …»
    Sie schluckte, sah zur Seite.
    «Gehe ich recht in der Annahme, dass Werner Geibel tot ist?», fragte Winter.
    Sie nickte wieder, gab aber keine weitere Auskunft.
    «Frau Stolze, würden Sie mir bitte sagen, wann, wo und wie Werner Geibel zu Tode gekommen ist?»
    «Das weiß ich nicht ganz sicher. Also, na ja, doch, vor sechzehn oder siebzehn Jahren ungefähr, so lange muss er tot sein. Mein Mann sagte damals – er sagte mir, es wäre ein Brief aus Thailand gekommen. Von den Behörden. Dass er gestorben wäre. Und man hätte

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