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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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ihn dort beerdigt.»
    «Das stimmte aber nicht.»
    «Nein, das … er ist wohl … mein Mann hat damals» – ihre Stimme kippte ins Hysterische –, «aber ich schwöre Ihnen, ich schwöre, ich habe das nicht gewusst. Ich hab das immer geglaubt mit Thailand. Obwohl, es war schon seltsam, dass er mir den Brief nicht gezeigt hat … Aber ich habe trotzdem gedacht, es wird stimmen mit Thailand, bis – bis letzte Woche. Da plötzlich. Da habe ich mich erinnert, dass damals etwas merkwürdig war.»
    «Frau Stolze, ich kann Ihnen gerade schwer folgen. Würden Sie mir bitte von Anfang an erzählen, wie es dazu kam, dass Sie in Werner Geibels Haus wohnen?»
    «Wir haben es gemietet. Jedenfalls zuerst.»
    «Bitte erzählen Sie der Reihe nach. Wo haben Sie vorher gewohnt?»
    «Wir hatten vorher noch gar nicht zusammengewohnt, mein Mann und ich. Ich hatte ein Zimmer in einem Wohnheim. Ich habe eigentlich Erzieherin gelernt. Weil das aber so überlaufen war, habe ich noch eine Krankenschwesternausbildung drangehängt. Und damals habe ich eben Bert kennengelernt. Er wohnte in einem Studentenzimmer, so mit Klo auf dem Gang, wie das damals oft war. Und ich … ich bin überhaupt an allem schuld, Herr Winter. Ich wollte Bert unbedingt heiraten. Aber er war so zögerlich. Er müsste erst beruflich etabliert sein, sagte er immer. Die Zeiten wären so schwierig, es gebe so wenig Arbeitsplätze für Ingenieure. Aber ich habe das für eine Ausrede gehalten. Ich hatte Angst, dass er mir für immer irgendwohin verschwindet, wenn er sein Diplom hat. Er hat Bauingenieur studiert, wissen Sie, an der FH. Und ein paar Monate vor Berts Abschlussprüfung habe ich einfach die Pille abgesetzt. Hab ihn noch extra verführt an einem fruchtbaren Tag. Ich bin tatsächlich schwanger geworden. Und dann mussten wir heiraten, sozusagen. Und Bert war auch anständig genug und hat es gemacht. Aber bloß standesamtlich. Und er hat sich furchtbar aufgeregt, wie ich ihm das nur hätte antun können. Ich habe gelogen, dass ich die Pille nicht abgesetzt hätte und nicht wüsste, wie es passiert sei, und dass ich auch lange noch Schmierblutung gehabt hätte und gar nicht wusste … Aber Bert hat natürlich geahnt, dass ich ihn … seitdem konnte ich ihm nichts mehr recht machen. Aber ich hätte das auch wirklich nicht tun dürfen.
    Es kam jedenfalls alles genau, wie Bert befürchtet hatte. Er machte sein Diplom, mit 2,2 sogar, und fand keine Stelle. Man kann sich das heute nicht vorstellen. Es heißt doch immer, Fachkräftemangel. Aber damals … er war nicht der Einzige. Praktisch sein ganzer Jahrgang war arbeitslos. Es war einfach kein Bedarf da auf dem Arbeitsmarkt. Das bisschen, was es gab, das ging an Leute mit Unidiplom. Ein Bewerber von der FH bekam nicht mal eine Einladung. Und ich war im fünften, sechsten Monat und dann im siebten, und wir wussten nicht, wohin. Meine Eltern hatten nicht genug. Etwa dreihundert Mark im Monat konnten sie abknapsen, mehr nicht, und das ging dann schon auf Kosten meiner Schwester. Die wollte ja studieren. Meine Eltern waren so entsetzt, dass ich schwanger war. Und Berts Eltern konnten mich nicht leiden und fanden, er hätte mich nicht heiraten sollen. Die hofften auf eine schnelle Scheidung. Sie sagten Bert, sie würden keinen Pfennig rausrücken, um mich und das Kind mit durchzufüttern. Es hätte natürlich das Sozialamt gegeben – aber wissen Sie, das ist so erniedrigend. Und Bert und ich, wir hätten uns bei unseren Eltern nicht mehr blicken lassen dürfen, als Sozialhilfeempfänger. Der Gesellschaft auf der Tasche liegen und dann auch noch Kinder bekommen, das war für meine Eltern das Allerletzte. Da habe ich zum Glück diese Anzeige in der Zeitung gesehen. ‹Haushüter für sechs Monate gesucht› stand da, und es sollte gar keine Miete kosten, bloß Nebenkosten und Telefon. Ich habe angerufen und mit dem Vermieter gesprochen. Das war eben der Werner Geibel. Er sagte, es gehe um ein Häuschen am Main in Griesheim und er reise für sechs Monate nach Thailand und wolle das Haus nicht alleine lassen. Als Polizist wisse er, was da alles passieren könne. Mit einer schwangeren Frau und ihrem Mann hatte der Geibel natürlich nicht gerechnet. Aber er sagte dann gleich: ‹Wissen Sie was, Sie sind mir lieber als ein Student. Wenigstens weiß ich dann, dass Sie keine wilden Partys feiern.›
    Zu dem Besichtigungstermin ist dann mein Mann hin. Die beiden sind sich schnell einig geworden. Es war eine mündliche

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