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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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aus.» Er ließ sich das Foto mit der Kleidung geben, schüttelte aber bloß den Kopf. Gleich darauf wanderte sein Blick schon wieder zum Fernseher. Das Kind auf dem Boden begann zu weinen. Der Mann rief «Ruhe!» und stellte den Ton noch lauter.
    «Haben Sie noch mehr Kinder?», wandte Winter sich unter voller Beschallung an die Frau. Anders als bei ihrem Lebensgefährten konnte man bei ihr den Versuch erahnen, sich hübsch zu kleiden. Sie trug einen mintgrünen gestrickten Kunstfaserpullover und hatte die blondgefärbten Haare mit einem stoffumwickelten Gummi in der gleichen Farbe im Nacken zusammengebunden. Schwerfällig nahm sie das weinende Kind vom Boden hoch und hievte es auf ihren Arm. «Noch zwei», sagte sie.
    «Wie alt sind die?», fragte Winter.
    «Fünf und acht.»
    «Ich würde die beiden gerne befragen. Keine Sorge, ich werde nichts erwähnen, was die Kleinen beunruhigen könnte.»
    Frau Rölsch sah ihn zweifelnd an. Dann zuckte sie mit den Schultern und ging vor. In der Diele kämpften die medialen Geräusche des Wohnzimmers bereits mit denen des Kinderzimmers.
    Das Kinderzimmer war ein kleiner, dank eines blauen Vorhangs vor dem Fenster sehr dunkler Raum, vollgestellt mit einem Stockbett, einem Kinder-Einzelbett, einem Kleiderschrank und einem Fernseher auf dem Laminatboden. Direkt vor dem Bildschirm hockte die Fünfjährige auf dem Fußboden. Der ältere Junge saß auf dem oberen Stockbett in tiefer Konzentration auf seinen piependen Gameboy. «Ha-llo!», sagte die Frau. «Hier ist ein Mann von der Polizei. Der will euch was fragen.»
    Jetzt schauten die Kinder zur Tür, der Junge interessiert, das Mädchen verwirrt. Winter quetschte sich an der Frau vorbei, die noch immer ihr Jüngstes auf dem Arm trug, und betrat das Zimmer.
    «Ist viel zu klein, ich weiß», sagte hinter ihm entschuldigend Frau Rölsch. «Wir haben auch schon längst beantragt beim Amt, dass wir eine größere Wohnung kriegen. Kriegen wir auch, wenn das nächste kommt. Da haben wir ein Anrecht drauf. Hundertzwanzig Quadratmeter haben wir eigentlich Anrecht drauf dann mit vier Kindern. Gegenüber die Frau, die wohnt allein in fünfzig Quadratmeter, und oben das Pärchen, die wohnen zu zweit in siebzig, was wir hier auch haben. Muss man sich mal vorstellen. Und wir zu fünft. Das ist doch ein Skandal.»
    Jetzt erst fiel Winter der leicht gerundete Bauch auf. Sie war wohl schwanger.
    «Hallo, ihr beiden», sagte er, endlich im Zimmer, und knipste ungefragt den Fernseher an der Power-Taste aus. «Ich bin Andreas Winter von der Polizei. Und ich habe ein paar Fragen an euch. Vielleicht könnt ihr mir helfen, einen schwierigen Fall zu lösen.»
    Der Junge war an die Bettkante des Hochbetts gerutscht und ließ mit großen Augen die Beine herunterbaumeln. Sein Gameboy piepste, auf der Decke abgelegt, weiter vor sich hin.
    «Hast du auch eine Pistole?», fragte er.
    «Hab ich», sagte Winter. Da er sie ausnahmsweise sogar dabeihatte, ließ er den Jungen einen Blick auf das Halfter werfen.
    «Hast du da auch schon mal jemand mit geschossen?»
    «Nein, glücklicherweise nicht. Und ich hoffe auch, dass das so bleiben wird.» Der Junge sah enttäuscht drein.
    «Wie heißt du?», fragte Winter.
    «Fynn.»
    «Fynn, wir versuchen, etwas über ein junges Mädchen herauszubekommen. Hast du hier in der Gegend in letzter Zeit ein junges Mädchen gesehen? Sie ist vielleicht sechzehn, eventuell auch ein bisschen älter.»
    «Ja», sagte Fynn.
    «Und zwar?»
    Fynn guckte verwirrt.
    «Was für ein Mädchen oder eine Frau war das, die du gesehen hast? Wie sah die aus?»
    «Weiß nich», sagte Fynn. «Von oben.»
    «Er meint die Türkenmädchen», sagte seine Mutter von der Tür. Sie klang, als halte sie Winter für außerordentlich schwer von Begriff.
    «Federmaus», sagte leise die Fünfjährige. «Federmaus, Federmaus.» Sie war aufgestanden und hüpfte mit «Federmaus»-Singsang auf und ab.
    «Lass das», sagte ihre Mutter, kam dazu und hielt das Mädchen mit der freien Hand fest.
    In dem engen Zimmer konnte man sich seit ihrem Eintritt beim besten Willen nicht mehr bewegen.
    «Meinst du die Mädchen, die oben wohnen?», fragte Winter Fynn. «Oder war es jemand, den du zum ersten Mal gesehen hast?»
    «Ich sag doch, er meint die Türkenmädchen», mischte sich die Mutter wieder ein. Fynn sah zur Seite und hatte seinen neugierigen Blick verloren. Winter war sicher, in Gegenwart der dominanten Mutter würde er aus den Kindern nichts mehr

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