Staustufe (German Edition)
oder wie der heißt, soll heute direkt zurück in sein Revier und ganz normal eine Tagesschicht antreten. Die haben ihn angefordert.»
Ein Gutes hat es, dachte Winter. Das Problem mit Sara war keins mehr. Für irgendein Goth-Mädchen von der Konstablerwache würde sich nach der Einstellung der Ermittlungen niemand mehr interessieren. Er als Vater allerdings musste schon noch herausbekommen, was da für eine Verbindung zwischen Saras Freund Selim und dem Mainmädchen bestand …
Zu weiterem Nachdenken kam er nicht, da gleich darauf die Aksoy eintraf, heute ausnahmsweise im brombeerfarbenen statt im schwarzen Rolli. Sie nahm die Neuigkeiten ungläubig auf. «Aber Herr Winter!», rief sie, als könnte er was dafür. «Die Ermittlungen fangen doch gerade erst an! Wir müssen noch zig Leute vernehmen! Die Laborsachen sind noch nicht –»
«Ich weiß, ich weiß», unterbrach er sie. «Warum sagen Sie mir das? Hätten Sie mir bei der Serdaris nicht dazwischengefunkt, hätten wir dieses Problem jetzt nicht. Dann hätte ich die Frau sicher dazu gebracht, ein Geständnis abzulegen.»
Die Aksoy fixierte ihn mit scharfem Blick, dann schüttelte sie den Kopf. «Also, ich glaube ja sowieso nicht, dass es die Serdaris war.»
Winter begann sich allmählich richtig zu ärgern. «Oh! Natürlich nicht. Das ist ja auch eine Frau. Und obendrein ist sie Ihnen auch noch sympathisch. Die könnte natürlich niemals ein Verbrechen begehen. Weshalb Sie ihr auch meinen Bluff verraten mussten und uns jede Chance auf ein Geständnis verbauen.»
Aksoy verzog ihr Gesicht, wandte sich ab und hängte ihre Jacke über die Garderobe. Dann begann sie neu. «Sagen Sie mal, Herr Winter, haben Sie Fock überhaupt gesagt, dass wir einen neuen Verdächtigen haben? Die Sache mit den Wolldecken, meine ich? Den Schriftsteller.»
Verdammt. Den hatte Winter glatt vergessen. Seit gestern Abend hatte er nur Sara im Kopf gehabt. Wahrscheinlich wusste Fock von den Decken noch nichts.
«Darüber sprechen wir, wenn die Laborergebnisse da sind», rettete er sich. «Wenn sich Opferspuren auf der Decke finden, wird der Fall neu aufgerollt, keine Frage.»
Die Aksoy gab sich damit zufrieden. Das war auch gut so, da sie jetzt beide zu dem morgendlichen Briefing der SoKo Krawatte mussten, die den anrüchigen Tod des hessischen Kultusministers untersuchte.
Im Konferenzraum saßen an die achtzig Leute. Das ganz große Aufgebot. Die mageren Ergebnisse des Vortags waren in einem Handout festgehalten, jetzt wurden nur die Aufgaben verteilt. Aksoy bekam fünfzig der fast zweitausend eingegangenen Hinweise zur Bearbeitung. Die Glückliche, dachte Winter. Er selbst erhielt den Auftrag, sich in der schwulen Sexmeile, der Alten Gasse nördlich der Zeil, nach männlichen Strichern umzusehen. Er sollte sich als Kunde mit Sado-Maso-Vorlieben ausgeben und entsprechend spezialisierte Prostituierte in ein Hotelzimmer im Best Western bringen. Dort würden sie von uniformierten Kollegen erwartet. Die Stricher sollten dann zur Einvernahme und erkennungsdienstlichen Behandlung ins Präsidium gebracht werden. Bei Strichern für den Schwulenmarkt handelte es sich meist um Südosteuropäer. Die waren einen rabiaten Staat gewohnt. Deshalb war es unwahrscheinlich, dass sie sich angesichts einer Polizeiübermacht auf ihre Rechte berufen und einfach gehen würden.
Aksoy saß beim Briefing dicht neben Winter. Als sich die Sitzung dem Ende näherte, hielt sie ihm ihr edles schwarzes «Smartphone» hin, auf dem eine Nachricht aus dem Labor prangte. Winter las und zog die Brauen hoch. Aksoy kam ihm mit dem Mund so dicht ans Ohr, dass er ihren warmen Atem spürte. «Wollen wir gleich mit Fock reden?», flüsterte sie.
Winter war ehrlich gesagt nicht nach einem neuen Gespräch mit Fock zumute, nicht so kurz nach dem unerfreulichen letzten. Und die Ergebnisse, die er der Mail entnahm, waren doch sehr vage. «Versuchen Sie es», flüsterte er zurück «Ich habe mir heute schon bei Fock den Mund verbrannt.»
Es machte ihn unruhig, so dicht neben einer Frau zu sitzen. Nicht ohne Grund gab es beim Militär und bei der Polizei traditionell keine Frauen. Sie störten die unbefangene Kameradschaft, die in einem solchen Job so wichtig war.
Aber Frau Aksoy war sowieso eine Sache für sich. Jetzt hob sie doch tatsächlich ganz unbekümmert mitten in der großen Sitzung den Arm.
«Herr Fock?»
Wusste Aksoy, dass sie sich frech benahm, oder war es einfach die Naivität der Neuen im Team?
«Ja?»,
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