Steam & Magic 01 - Feuerspiel
Caroline nicht sicher war, ob Gott – oder sonst eine höhere Macht – etwas damit zu tun hatte.
»Morgen hätte ich gern, dass du ein Kleid trägst, wenn wir das Haus verlassen«, sagte Caroline sanft.
»Das wollte ich eigentlich noch Sir Merrick fragen. Er wird sicher dafür sorgen wollen, dass ihr standesgemäße Kleider habt.«
Wink schnitt eine Grimasse. »Aye. Die Schneiderin war da, ist aber schnell wieder verschwunden. Dann ist Miss Dorothy mit jedem von uns in die Läden gegangen und hat uns welche von der Stange gekauft. Ich bin im Besitz von ein, zwei Kleidern, wenn es wirklich sein muss. Mit Schürzen.« Beim letzten Wort verzog sie angeekelt das Gesicht.
Caroline versuchte nicht einmal, ihr Lachen zu unterdrücken. »Fünfzehn ist ein schwieriges Alter, nicht wahr? Kein Mädchen mehr, aber noch keine Frau. Wann wirst du sechzehn?«
Wink musste einen Moment lang überlegen. »Mittsommer. Das ist im Juni, nicht wahr?«
»Am einundzwanzigsten«, stimmte Caroline zu. »Ab sechzehn ist es Mädchen normalerweise gestattet, längere Röcke zu tragen und das Haar hochzustecken. Vielleicht können wir das ein, zwei Monate vorziehen, wenn dich die Schürzen wirklich so stören.« Geburtstage -das war noch etwas, was die meisten dieser Kinder vermutlich nicht kannten. »Darf ich fragen – wie kam es dazu, dass ihr Sir Merricks Mündel wurdet?«
Zehn Minuten später schüttelte Caroline verwundert den Kopf.
Vampire?
Dieses zarte Geschöpf vor ihr sollte Schwerter schwingen?
Ein Teil von Caroline wollte »absurd!« ausrufen, doch ein anderer erkannte, dass Winks Erklärung – so unwahrscheinlich sie klang – die einzig logische war. Gütiger Himmel, wie wollte er diese Verhältnisse eigentlich rechtlich regeln? Sicher konnte man doch nicht einfach Kinder von der Straße auflesen und sie zum Mündel nehmen? Andererseits war er ein Baronet und diente der Krone. Also konnte er es vielleicht doch.
»Wir sollten jetzt beide schlafen gehen.« Caroline stand auf und wandte sich zum Gehen. »Danke, dass du mir die Lage erklärt hast.«
»Gerne, Miss. Hier, wollen Sie mal einen Trick sehen? Gib Pfote, George.«
Die mechanische Dogge, die während der Unterhaltung vollkommen stillgehalten hatte, rappelte sich auf und setzte sich vor Caroline. Folgsam hob er eine Pfote und streifte dabei versehentlich Carolines Handgelenk, kurz über dem Handschuh. Mit einem grässlichen Knirschen kam der Automat zum Stehen, während sich ein Ohr wild drehte.
»Oh weh.« Caroline riss ihre Hand zurück.
»George!« Wink stürzte auf ihr mechanisches Haustier und starrte Caroline an. »Wie ist das passiert?«
»Du hast mir deine Geheimnisse erzählt, jetzt erzähle ich dir eines von mir.« Caroline wich vorsichtig von Winks Arbeitsplatz zurück. »Ich scheine einen negativen Einfluss auf Maschinen zu haben. Es ist keine Absicht, aber solche Sachen passieren immer, wenn ich etwas mechanisch Betriebenes berühre. Ich kann nicht einmal eine Taschenuhr tragen und halte jedes Mal den Atem an, wenn ich Zug fahre. Ich hoffe, es ist nicht zu ernst.«
»Nein. Nur eine gebrochene Feder. Das kann ich leicht reparieren.« Dennoch bedachte Wink Caroline mit einem skeptischen Blick.
»Ich versuche, in der Nähe deiner Tiere vorsichtig zu sein, das verspreche ich. Und jetzt weißt du auch, dass du sie von mir fernhalten musst.« Sie ging zur Tür und drehte sich noch einmal um, bevor sie ging. »Wenn du George fertig repariert hast, wäschst du dich dann bitte und gehst zu Bett? Wir sehen uns morgen früh.«
Wink antwortete nur mit einem Grunzen, während sie sich an die Arbeit machte.
5
Ein markerschütternder Schrei, als ginge es jemand an den Kragen, drang in Carolines Bewusstsein. Sofort war sie wach und aus dem Bett gesprungen. Sie schnappte sich den Morgenmantel, den sie an den Bettpfosten gehängt hatte, und stürzte in den Flur. Ein zweiter Schrei ertönte und wies ihr die Richtung zum Zimmer der beiden kleineren Jungen. Sie eilte über den Flur und öffnete die Tür.
Piers stand über Jamie gebeugt und schüttelte ihn an der Schulter. Dann duckte er sich, um einem Schlag mit dem Gipsarm auszuweichen. Caroline eilte auf die andere Seite des Betts, packte Jamie an der linken Schulter und hielt seinen verletzten Arm fest, während Piers Jamies Namen rief.
Wink, noch immer im Overall, kam aus der Kinderstube gelaufen. Als sie sah, dass Caroline und Piers bereits bei Jamie waren, blieb sie kurz stehen und drehte die
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