Steam & Magic 01 - Feuerspiel
Schoß eingeschlafen war. Zum Glück war das Mädchen nicht richtig aufgewacht, als Caroline sie aufgehoben und ins Bett gesteckt hatte. Alle acht Puppen hatten – wenn sie nicht in einer Wiege oder einem Kinderwagen lagen – zumindest eine Hutschachtel oder einen Karton mit Stoff ausgelegt als Bett.
Mit ihrem exotischen Aussehen fügte sich Nell vielleicht am schwersten in die britische Gesellschaft, aber sie hatte ein sanfteres Naturell als einige ihrer Kameraden, was ihr den Weg womöglich ebnete. Caroline steckte die Laken um das Mädchen fest, dann ging sie in die Kinderstube, wo Wink leise mit einem Stück Bronze und Blech herumbastelte, ihr treuer Gefährte George an ihrer Seite.
»Was baust du denn gerade?« Caroline setzte sich in einen Sessel, von dem sorgsam alle mechanischen Teile entfernt worden waren, und faltete die Hände im Schoß.
»Einen Spaniel«, antwortete Wink ohne aufzusehen. »Für Piers. Ich habe ihm ein Kätzchen gemacht, als er krank war, aber es wurde von einem Kutschpferd zerstört.«
»Soviel ich mitbekommen habe, war es ein großes Glück für Piers, dass ihr euch im Winter um ihn gekümmert habt.« Caroline hatte erfahren, dass Piers beinahe an seiner Lungenentzündung gestorben wäre und erst seit ein paar Monaten wieder auf den Beinen war.
Wink zuckte die Schultern, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. »Als die Mutter von Piers und Nell starb, hat ihn die Vermieterin an einen Kaminkehrer verkauft und Nell ins Waisenhaus gesteckt. Ihre Mutter und ein paar andere Geister halfen ihr zu entkommen. Die Leitung des Waisenhauses wollte sie an ein Bordell verkaufen, sobald sie ihre erste …« Winks helle Wangen röteten sich und sie blickte konzentriert auf ihre Arbeit.
»Menstruation«, half Caroline aus, entsetzt aber nicht sonderlich überrascht. In diesem Milieu galt es wahrscheinlich als Akt der Milde, so lange zu warten -viele Mädchen wurden schon früher verhökert. Obwohl es ihr schwerfiel, bemühte sie sich um einen ruhigen Ton. »Die wissenschaftliche Bezeichnung ist Menstruation, obwohl man unter Frauen, selbst unter Frauen der Gesellschaft, die Begriffe Periode und Regel hört, oder alberne Bezeichnungen wie ›Besuch der rosa Tanten Keine dieser Bezeichnungen ist damenhaft oder salonfähig, aber natürlich reden Frauen miteinander über diese Dinge. Ich würde mir wünschen, dass du mit Fragen dieser Natur zu mir kommst.«
»Aye, Miss.« Wink nahm ein weiteres Metallstück auf und schraubte es an den wachsenden Haufen auf dem Tisch vor ihr, der noch keinerlei Ähnlichkeit mit einem Hund hatte. »Mrs. Miller – die Inhaberin der Teestube, über der ich in Wapping wohnte – erklärte es mir, als es das erste Mal geschah. Ich habe Reparaturen für sie und ihre Freunde erledigt, gegen Essen und ein Zimmer. Sie wollte mich mein Zimmer nicht mit Tommy teilen lassen und musste mir erklären, warum. Zuerst habe ich ihr nicht geglaubt. Es schien so albern.«
»Ja, das tut es am Anfang, nicht wahr?« Caroline erinnerte sich nicht daran, irgendwann einmal nicht den Unterschied zwischen Mädchen und Jungen gekannt zu haben, aber sie war auf einem Landgut aufgewachsen und hatte oft die Tiere auf dem Bauernhof beobachtet. »Und wie alt warst du, als dein Vater starb?«
»Neun. Er hatte Schwindsucht. Wir waren in London, als er starb, also blieb ich hier. Hätte mich Tommy nicht gefunden, wäre ich im ersten Monat verhungert. Er hat mir gezeigt, wie man …«
»Stiehlt? Ich werde dich nicht dafür tadeln, dass du getan hast, was du tun musstest, um zu überleben.«
»Ja, Miss. Dann zeigte er mir, wo die Leute ihre kaputten Maschinen hinwarfen. Ich fing an, Teile davon zu nehmen und neu zusammenzubauen. Bald habe ich mehr für meine Maschinen bekommen, als ich mit Taschendiebstahl verdienen konnte.«
»Hattest du denn keine Familie, die dir helfen konnte, als dein Vater starb? Was war mit deiner Mutter?«
»Mama starb bei meiner Geburt«, erwiderte das Mädchen. »Sie hatte niemanden. Mein Vater war ein Adeliger, aber sie verstießen ihn, als er ein Dienstmädchen heiratete. Also reiste er durch die Welt und schlug sich mit Erfindungen und Reparaturen durch.«
Diese Geschichte unterschied sich nicht wesentlich von Carolines, nur dass sie älter gewesen war, als man ihre Mutter enteignete. Und ihre Mutter war nicht stark genug gewesen, sich den Lebensunterhalt zu verdienen, deshalb hatte Caroline für sie beide sorgen müssen.
Gottes Wege sind unergründlich … Nur dass
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