Steam & Magic 01 - Feuerspiel
Lampe an, bevor sie an den Fuß des Betts kam. Einen Wimpernschlag später stürzte Tommy im Nachthemd aus dem Flur herein, während Nell in einem weißen Spitzennachthemd dicht auf Wink folgte.
Endlich wachte Jamie auf, mitten im Schrei. Mit großen Augen und schweißüberströmt lag er da und atmete heftig.
»Alles ist gut, Jamie. Es war nur ein Traum.« Obwohl sich Caroline nicht sicher war, ob hier von »nur« die Rede sein konnte.
Nell setzte sich auf die Bettkante, nahm Jamie in die Arme und wiegte ihn wie ein kleines Kind, was ihn zu beruhigen schien. Caroline wandte sich an die anderen und flüsterte: »Kommt das oft vor?«
Wink zuckte die Schultern. »Manchmal. Veränderungen regen ihn auf, selbst gute, wie hierher zu ziehen.«
»Jamie, was hast du geträumt?« Oftmals verloren Alpträume ihren Schrecken, wenn man sie erzählte -oder sie in ein Tagebuch schrieb. Das wusste Caroline aus Erfahrung.
»Ein alter Traum – Dinge kommen aus dem Dunklen auf mich zu. Sie schlagen, beißen und rufen mich.« Er verstummte und schluchzte in sein Kissen.
»Von so etwas träumt er meistens, Miss«, erklärte Piers leise. »Das hat nichts zu bedeuten, nur, dass er aufgeregt ist.«
»Manchmal sieht er Dinge in seinen Träumen«, fügte Tommy leise hinzu. »Ich weiß nicht wie, aber manchmal sieht er voraus, was noch passiert – oder passieren könnte. Das sind die schlimmsten, weil sie ihm auch tagsüber noch Angst machen.«
Jetzt sah Jamie Caroline mit angstgeweiteten Augen an. »Bitte werfen Sie mich nicht raus, Miss. Ich bin nicht schlecht, ehrlich nicht.«
Caroline setzte sich auf die andere Seite neben ihn und streichelte seinen klammen, schweißnassen Rücken. »Traust du Sir Merrick wirklich zu, dass er dich wegen einem Traum verstößt?«
Jamie weinte nur noch heftiger.
»Seine Familie hat genau das getan«, erzählte Wink traurig. »Er sagte seiner Mama, sie solle an diesem Vormittag nicht vor die Tür gehen, aber sie hörte nicht auf ihn und wurde von einem Straßenräuber getötet. Als seine Tante und sein Onkel erfuhren, dass er sie gewarnt hatte, nannten Sie ihn Satansbrut und warfen ihn auf die Straße.«
Caroline hob ihn aus dem Bett und drückte ihn an sich. »Keine Angst, Jamie, das passiert dir hier ganz bestimmt nicht. Jetzt stecken wir dich erst einmal in ein trockenes Nachthemd und machen dir ein frisches Bett, was meinst du?« Sie blickte die anderen Kinder an. »Sicher hat doch schon einer von euch herausgefunden, wo der Wäscheschrank ist.«
»Ich.« Tommy stand auf und verschwand aus dem Zimmer.
»Komm mit, Jamie. Piers, könntest du ihm ein frisches Nachthemd besorgen, während die Mädchen das Bett abziehen?«
Der Waschraum lag zwischen Kinderstube und Unterrichtsraum, so dass Kinder und Gouvernante ihn bequem teilen konnten, oder in diesem Fall alle vier Kinder. Caroline führte Jamie hinein und wusch ihm Gesicht und Hände, dann ging sie raus und gestattete Piers, Jamie beim Umziehen zu helfen, weil er es mit Gips nicht alleine konnte. In der Zwischenzeit wärmte sie etwas Milch auf dem kleinen Gasherd in der Vorratskammer auf und goss sechs Gläser ein, die sie auf einem Tablett ins Zimmer der Jungen brachte. Jetzt verstand sie auch, warum die Mädchen die Stube der Gouvernante gewollt hatten. Es gab ihnen das Gefühl von Nähe und Erreichbarkeit, wenn sie einander brauchten, obwohl die Stube wahrscheinlich weiter entfernt war als Carolines Gästezimmer gegenüber.
»Ich dachte, das würde uns allen guttun.« Caroline lächelte, als Tommy nach einem Rippenstoß von Wink aufsprang, um Caroline das Tablett abzunehmen. »Es war ein ereignisreicher Tag für uns alle und das wird uns helfen, zur Ruhe zu kommen.«
Doch sie fand keinen Schlaf, selbst nicht, als sie wieder in ihrem dekadent luxuriösen Bett lag. Was sollte sie bloß mit diesen Straßenkindern machen, die gegen Vampire kämpften, Geister sahen, in ihren Träumen die Zukunft voraussahen, und Gott weiß was noch? Sie brauchten jemanden – so viel stand fest, aber Caroline bezweifelte, ob sie dieser Aufgabe gewachsen war. Diesen Rabauken standesgemäße Manieren beizubringen, war ein gewaltiges Unterfangen, auch schon ohne ihre besonderen Fähigkeiten.
Und dann war da noch ihr Dienstherr. Er hatte sie mit vollendeter Höflichkeit behandelt – hatte sie nie berührt, außer, um ihr die Hand zu schütteln – und doch hatte etwas ihren Magen aufgewühlt, wie es ihr mit noch keinem anderen Mann passiert war. Ihr
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