Steam & Magic 01 - Feuerspiel
er seine rechtlichen Angelegenheiten vernachlässigt und die Weiterzahlung unseres Unterhalts nicht ausdrücklich im Testament festgelegt. Seine Lordschaft, mein Onkel, war nicht gewogen, seine in Ungnade gefallene Schwester und ihre Tochter zu unterhalten, also flogen wir raus mit kaum mehr als den Kleidern auf unserem Leib. Daran zerbrach meine Mutter. Also blieb es an mir, für uns beide zu sorgen – erst in einer kleinen Dorfschule und nach dem Tod meiner Mutter als Hauslehrerin.«
»Und wie alt warst du damals?« Merrick hätte gern ihren Onkel gefunden und den Mann erdrosselt.
»Sechzehn.«
Er konnte ein Knurren kaum unterdrücken. »Und welcher Peer in unserem Königreich ist dein Verwandter? Eigentlich könnte ich ihn kennen – obwohl mir keiner mit dem Namen Bristol einfällt.«
Caroline biss sich auf die Lippe und gestand: »Den Namen Bristol habe ich mir von der nächstgelegenen Stadt geborgt, als ich in der Dorfschule unterrichtete. Es ist nicht mein richtiger Name.«
»Caro – wer ist er?«
»Nein.« Entschlossen begegnete sie seinem Blick. Sie rückte näher an die Bettkante heran, zog ihre Hand unter seiner hervor und drückte sie fest. »Das verrate ich nicht, Sir Merrick. Bitte lass es darauf beruhen.«
Er konnte ihr nicht widersprechen – nicht, solange sie so wehrlos dalag. Aber eines Tages würde er es herausfinden und den Mistkerl zahlen lassen. Er legte seine freie Hand an ihre Wange. »Caro –« Nicht einmal er wusste, was er sagen wollte. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, herauszufinden, ob sie so gut schmeckte, wie sie aussah. Er beugte sich zu ihr, ganz langsam, so dass ihr Zeit blieb, ihn wegzustoßen, und ließ seine Lippen über ihre streifen.
Die sanfte Berührung ihrer Haut brannte wie ein elektrischer Schlag. Das hier war kein Feenzauber oder die Kraft eines Ritters, das hier war der reine, elementare Erdzauber von Mann und Frau. Er küsste sie erneut, diesmal mit so viel leichtem Druck, dass man es tatsächlich einen Kuss nennen konnte. Es war noch immer nicht genug. Weit davon entfernt, ihn zurückzustoßen, umklammerte Caro seinen Hinterkopf mit der gesunden Hand und fuhr mit den Fingern in sein Haar, um ihn an sich zu pressen.
»Ähem.«
Merrick riss sich ruckartig von Caroline los und sie drückte sich mit feuerrotem Gesicht an das Kopfteil des Betts. Dann wandten sie beide schuldbewusst die Köpfe in Richtung Schlafzimmertür.
Dorothy schien eher amüsiert als entrüstet, aber vor allen Dingen wirkte sie gehetzt und sogar etwas verängstigt. Merrick sprang auf die Füße, ohne es überhaupt zu bemerken. »Tante, was ist los?«
»Ich bin gerade erst heimgekommen – zur selben Zeit wie Edwin und Tommy von ihrem Museumsausflug. Merrick – sie wurden angegriffen. Ich glaube, wir sollten Dr. Wallace rufen.«
»Schon wieder?« Merrick sah sie entgeistert an. »Sind sie beide …«
»Am Leben? Ja. Edwin hat ein paar blaue Flecken abbekommen, glaube ich, und Tommy eine Schnittwunde am Oberschenkel von einem Stockdegen. Sie hätte tödlich sein können, wäre sie tiefer gewesen.« Dorothys Blick fiel auf Caros verbundenen Arm. »Und dann, mein Neffe, solltest du mir besser erklären, was hier vorgeht.«
Merrick nickte. »Ja. Heute Abend halten wir Kriegsrat, inklusive dir, Edwin und Caro. Und der Himmel möge unseren Widersachern beistehen.«
9
Einige Tage waren seit dem Vorfall im Regent’s Park verstrichen und Caroline war auch nicht einen Moment lang mit Merrick allein gewesen.
Mittlerweile regte sich bei ihr der Verdacht, dass er sie genauso mied wie sie ihn. Sie und die Kinder hatten sich größtenteils von ihren Verletzungen erholt, so schnell, dass sie langsam anfing zu glauben, dass sie ihnen vielleicht tatsächlich unbewusst bei ihrer Genesung half.
Während Caroline sich ankleidete, wanderte ihr Blick zu den Blumen auf ihrem Toilettentisch – der erste Strauß war größtenteils verwelkt, aber der zweite war leuchtend und frisch. Mr. Gideon MacKay war ein höchst aufmerksamer junger Mann. Gestern war er zu Besuch gekommen und hatte Caroline sogar eingeladen, an diesem Wochenende mit ihm ins Theater zu gehen. Caroline hatte selbstverständlich abgelehnt, zu Dorothys Missfallen. Gideon war ein netter Mann, aber Caroline behagte es nicht, ihn zu ermutigen.
Es war ein strahlend sonniger Donnerstagmorgen, aber heute war es ihr nicht vergönnt, mit den Kindern einen Spaziergang zu unternehmen. Merrick hatte den Fotografen bestellt, der
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