SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Teller. Das hört sich despektierlich an, war aber durchaus bequem und würdevoll.
„Schmeckt es Ihnen?“, wollte Charles wissen.
„Es ist außerordentlich“, sagte ich und gratulierte mir dazu, nicht einmal gelogen zu haben. Um mich wegen des fehlenden Bestecks nicht in Verlegenheit zu bringen, ließ Charles an dem Abend Hühnchen servieren. Ich war auch sehr beeindruckt, dass Fifi den Vogel völlig selbstständig zubereitet hatte. Leider brachte das Ergebnis auch nur ein Engländer herunter. Die Pfefferminzsoße war absolut indiskutabel und das Hühnchen selbst musste im Death Valley verendet sein und dann im Backofen überwintert haben. Mit langen Zähnen zupfte ich das knochentrockene Fleisch von dem sorgsam angerichteten Schenkel auf meinem Teller.
Fifi empfand meine Antwort jedoch als Kompliment und wackelte fröhlich mit dem Kopf. Damals konnte ich ja noch nicht ahnen, dass sie für dieses Verbrechen an dem armen Flattertier nicht verantwortlich war. Charles hatte ihr das Kochen beigebracht. Und das war in etwa so, als wenn Königin Victoria Tipps für die schlanke Linie gegeben hätte.
„Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Mister Eagleton?“, wechselte ich das Thema.
„Selbstverständlich“, erwiderte er erstaunt.
„Wollen Sie an der Essenztheorie wirklich aus wissenschaftlichem Interesse mitarbeiten?“
Charles lächelte. „Ich halte die Entdeckung der Fiddleburys tatsächlich für die vielleicht größte Entdeckung, die die Menschheit je gemacht hat. Sie könnte unser aller Weltbild fundamental aus den Angeln heben.“ Schmunzelnd setzte er hinzu: „Ich gebe zu, dass ich mich darüber hinaus für Miss Fiddleburys Schutz verantwortlich fühle.“
„Sie ist eine sehr schöne, intelligente Frau“, meinte ich und ging nicht näher darauf ein, dass sie auch eine hervorragende Köchin war. „Und seit der Essenzübertragung ist sie darüber hinaus auch noch so anmutig, als wenn sie gar kein gewöhnlicher Mensch mehr wäre.“ Mein Fokus lag vor allem auf dem letzten Teil dieses Satzes. Als ich Charles verdutztes Gesicht sah, fürchtete ich jedoch, mich gerade schlecht benommen zu haben. Verlegen räusperte ich mich. „Ich hoffe, ich habe nichts Unpassendes gesagt?“ Charles wurde offenkundig erst jetzt bewusst, dass ihm seine Gesichtszüge ein wenig entgleist waren. Sofort kam die freundschaftliche Art zurück, mit der er mich schon die ganze Zeit behandelte.
„Oh nein“, beeilte er sich zu versichern. „Ich hatte nur bisher niemanden, mit dem ich über Frauen gesprochen habe – Frauen spielten in meinem bisherigen Leben immer nur recht kurz eine Rolle.“
Das Thema verunsicherte ihn, glaubte ich amüsiert festzustellen. Dann jedoch wurde mir der Grund für seine Anspannung offenbar: „Mir war nur nicht klar, dass ihr … nun, dass ihr der Anmut menschlicher Frauen Bedeutung beimesst“, sagte er vorsichtig.
Ich nickte verständnisvoll. „Es gibt keinen Grund für Ihre Vorsicht, Mister Eagleton“, versicherte ich. „Ich habe in der Tat ein menschliches Empfinden für Ästhetik, denke ich. Besonders was Frauen angeht.“ Natürlich gingen ihm jetzt all die Gedanken durch den Kopf, die ich schon lange gedacht hatte. Traurige Gedanken von unerfüllter Liebe und einer attraktiven, schmachtenden weißen Ratte. Doch ich wollte solche Dinge nicht unseren Abend trüben lassen. „Ich wäre Ihnen deshalb sehr verbunden, wenn Sie einen Reprographen für Menschen erfinden könnten“, meinte ich scherzhaft.
„Das wäre praktisch“, gab er zu. „Wir könnten sehr viele Damen in diesem Haus unterbringen.“
„Bestimmt würden wir Mengenrabatt beim Schuster und Schneider bekommen“, regte ich an.
Charles lachte. „Man könnte meinen, dass Sie bereits große Erfahrung im Unterhalt von Frauen gesammelt habt.“
„Wahrscheinlich ist das so“, sagte ich wieder nachdenklicher werdend. „Erstaunlicherweise habe ich keinerlei Erinnerungen an die Zeit vor meiner Erweckung. Aber ich weiß viele Dinge. Ich kann Kochen, Lesen und Schreiben, verstehe etwas von Mathematik, Physik, Medizin und Malerei. Außerdem spreche ich Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Latein, während ich Italienisch für meine Muttersprache halte. Und das sind nur die Dinge, von denen ich bis jetzt weiß.“ Auch wenn ich es nicht darauf angelegt hatte, war Charles sehr beeindruckt.
„Essenz muss also weit mehr sein, als nur Lebensenergie“, folgerte er.
„Nicht nur das. Ich hatte
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