SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
‚alles, was nicht angebunden ist‘ gelautet.“ Die Erwiderung kam so unbewegt, dass sowohl Rachel als auch ich glucksen mussten.
Mortimer Fiddlebury nahm sie sichtlich den Wind aus den Segeln. „Sie …“, wollte er sich deutlich leiser weiter ereifern.
Doch Charles unterbrach ihn in klarem ruhigem Ton: „Sie halten Mister Bradley unter unwürdigsten Bedingungen gefangen. Sie riskierten Leben und Verstand Ihrer Tochter in schlecht vorbereiteten Experimenten. Und Sie nutzen meine Erfindungen, um Leben auszulöschen. Nichts davon werde ich eine Sekunde länger dulden.“
„Kinkin“, sagte Kinkin nachdrücklich und zog damit einen Augenblick alle Blicke auf sich. Nur Fiddlebury schien sie überhört zu haben. Deutlich war ihm das Entsetzen über Charles’ Wissensstand anzusehen. In einer letzten Aufwallung von Trotz versuchte er, das Problem mit Sturheit aus der Welt zu schaffen: „Ich bin wohl kaum darauf angewiesen, meine Experimente von Ihnen dulden zu lassen! Sie werden jetzt sofort mein Haus verlassen und …“
„Mister Fiddlebury, Sie unterschätzen die Dringlichkeit, die dieses Anliegen für mich hat. Ich würde notfalls Ihre Tochter entführen und Ihr Haus anzünden, um diese Machenschaften zu unterbinden.“ Seine ruhige Art und sein fester Blick ließen keinen Zweifel daran, dass er jedes Wort so meinte, wie er es sagte. Rachel erbleichte, allerdings war mir das glückliche Glühen in ihren Augen nicht entgangen. Fiddlebury schluckte. Nach einer effektvollen Pause fuhr Charles fort: „Um Ihre Arbeit unmöglich zu machen wäre es aber vermutlich ausreichend, Mister Bradley der Presse oder der Polizei vorzustellen.“
Wut und Verzweiflung ließen Fiddleburys Oberlippe zittern.
„Können Sie nicht begreifen, welche Chancen meine Entdeckung bietet? Wenn meine Erfindung ausgereift ist, könnte ich Schwachsinnige zu Genies machen. Oder noch besser: Ich könnte einen Jungbrunnen anbieten! Menschen verjüngen, vielleicht sogar ewiges Leben verkaufen! Die Ratte hier …“
„Mister Bradley“, unterbrach ich empört, doch wie immer überhörte der Geier mich.
„… altert zum Beispiel nur noch so schnell wie ein Mensch. Vielleicht kann das weiter verlangsamt werden! Begreifen Sie nicht, was ich hier schaffen könnte?“
„Sie missverstehen mich, Mister Fiddlebury“, sagte Charles versöhnlicher, obwohl ihm seine Abscheu vor Fiddleburys materiellen Gelüsten deutlich anzusehen war. „Ich halte die Bedeutung Ihrer Arbeit für absolut bahnbrechend. Die Essenztheorie könnte eine der wichtigsten Entdeckungen der gesamten Menschheitsgeschichte sein. Und ich will Ihnen den Ruhm weder nehmen noch schmälern.“
Damit hatte er den alten Mann restlos verwirrt. Ich sagte ja: Wenn es um den Kopf ging, war Fiddlebury nicht gerade einer der Schnellsten.
„Aber ... sagten Sie nicht gerade, dass Sie meine Arbeit nicht dulden würden?“
Charles schüttelte den Kopf. „Nein, Mister Fiddlebury. Ich sagte, dass ich gewisse Dinge nicht zulassen kann.“
Der alte Geier entspannte sich sichtlich. Dann seufzte er ärgerlich. „Nun gut, was wollen Sie?“ Offenbar hatte er Charles erneut missverstanden und glaubte jetzt, Opfer einer Erpressung zu werden.
„Zuallererst werden Sie mir das Rezept zu Mister Bradleys Spezialdiät aushändigen.“ In einer unmissverständlichen Geste legte er mir die Hand um die Schultern. Zum ersten Mal in meinem Leben glaubte ich in diesem Augenblick daran, dass tatsächlich alles gut werden würde. Ich war so glücklich, dass meine Ohren unkontrolliert zu wackeln begannen. Doch der alte Geier sah meinen Freund nur verständnislos an.
Rachel war es schließlich, die antwortete: „Es gibt keine Spezialdiät , Mister Eagleton. Wir haben Mister Bradley nur häufiger außerhalb seines Käfigs angetroffen. Mein Vater hielt es für erforderlich, ihm mit dieser Legende den Gedanken an eine Flucht zu nehmen.“
Charles’ kühler Blick schien sie tief zu treffen. Ja, mein Freund hatte für vieles Verständnis. Freiheitsberaubung und manipulative Lügen gehörten allerdings nicht dazu. Ich jedoch hätte vor Erleichterung am liebsten einen Luftsprung gemacht. Fiddlebury bekam einen höhnischen Zug um den Mund, verkniff sich aber jeden Kommentar. Offenbar hatte er die gemeine Lüge schon beinahe vergessen gehabt.
„Mister Bradley hat den Wunsch geäußert, zu mir zu ziehen“, nahm Charles das Gespräch wieder auf. Ich nickte huldvoll. „Unter diesen Umständen
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