SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
junges Eichhörnchen. Sie winkte noch einmal herüber und verschwand aus meinem Blickfeld.
Als ich schließlich in unser Zimmer huschte, war Charles bereits auf der Suche nach mir. Gerade wollte er mit besorgter Miene die Terrasse betreten. Mein Auftauchen ließ ihn jedoch erleichtert aufatmen. Ich atmete dafür den Duft von frischem Apfelkuchen ein. Erst jetzt fiel mir auf, wie hungrig ich war.
„Da sind Sie ja“, meinte er beruhigt. „Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil ich so lange fort war.“
„Ich bitte Sie.“ Großzügig winkte ich ab. „Wir hatten ja schon damit gerechnet, dass ich den größten Teil der Zeit auf unserem Zimmer bleiben muss.“
„Aber bestimmt haben Sie Hunger, nicht wahr?“, fragte er und zeigte auf ein gewaltiges Stück Apfelkuchen, das er auf einem Beistelltisch abgestellt hatte. Die Leckerei mochte ungefähr meinem Lebendgewicht entsprechen, doch mein Magen war fest entschlossen, nicht den kleinsten Krümel übrig zu lassen.
„Es wäre bestimmt interessant für Sie geworden“, vermutete Charles. „Auch wenn Mister Blackwell heute Abend etwas verstimmt war. Ich nehme an, dies hat damit zu tun, dass Miss Blackwell sogar zum Abendessen mit Abwesenheit geglänzt hat.“ Meinen Freund schien die Sache sehr zu amüsieren. „Sie muss eine außergewöhnliche Persönlichkeit sein, wenn sie sich so dauerhaft und konsequent den Plänen ihres Vaters widersetzt.“ Da ich bereits mit vollen Backen kaute, nickte ich nur zustimmend. Charles hatte ja keine Ahnung, wie Recht er hatte.
Dann berichtete er detailliert von den Eindrücken, die er den Abend über gesammelt hatte. Ich würde seine Erlebnisse gerne an dieser Stelle wiedergeben, doch leider hörte ich ihm nicht zu. Zu lebendig waren noch der Eindruck von duftender Haut, frechen Sommersprossen und einem koboldartigen Lächeln.
Kurz nach Mitternacht beschlossen wir, uns in Morpheus’ Arme sinken zu lassen. Ich zog mein Nachthemd an und ließ mir wie jeden Abend von Charles beim Aufsetzen der Schlafmütze helfen. Ja, das hört sich seltsam an. Aber wenn der Durchmesser Ihrer Ohren die Länge Ihrer Arme übertreffen würde, hätten Sie ebenfalls Probleme beim Aufsetzen Ihrer Schlafmütze. Wenigstens das Absetzen konnte ich durch Ziehen an dem langen Bommel selbst bewerkstelligen.
Wie auch immer: Wir wünschten uns eine gute Nacht und waren auch bald ins Land der Träume abgetaucht. Doch die Nachtruhe sollte nicht lange andauern. Kurz nach eins wurden wir durch leises Klopfen geweckt. Als wir die Ursache des Geräuschs bemerkten, waren wir wohl beide nicht sicher, tatsächlich wach zu sein. Vor dem Terrassenfenster stand eine Göttin.
Die sternklare Nacht durchdrang ihr dünnes Nachthemd und zeichnete ihre schlanken Konturen als tiefschwarzen Schattenriss nach. Während sie vergeblich versuchte, irgendetwas in unserem dunklen Zimmer zu erkennen, spielte der Wind sanft im Meer ihres blauschimmernden Haares. Zweifellos war sie sich der Unfähigkeit ihrer Kleidung, ihren Körper vor uns zu verbergen, nicht bewusst.
„Heavens“, flüsterte Charles, sehr passend, wie ich finde.
„Ich denke, die Dame möchte zu mir“, sagte ich eilig. Selbst unter diesen widrigen Sichtbedingungen waren meine Augen problemlos in der Lage, Charles’ verblüfftes Gesicht zu erkennen. Aber als echter Freund stellte er natürlich keine Fragen. Als ich mit heftig klopfendem Herzen zu der schönen Erscheinung hinübereilte, öffnete er mir nur die Terrassentür. Er machte das so diskret, dass Julie ihn nicht einmal bemerkte. Als sie mich entdeckte, schien sie sich ohnehin nicht mehr für die sonstige Umgebung zu interessieren. Aus der Nähe konnte ich ihr strahlendes Lächeln sehen. Die Sterne machten aus ihren Augen nachtblaue Diamanten und ihr Duft war nichts Anderes als eine Droge. Schnell glitt sie auf die Knie und beugte sich herab, um mir in die Ohren flüstern zu können. „Entschuldige, dass ich dich geweckt habe“, flüsterte sie. Dass ich mir mit Charles ein Zimmer teilte, schien ihr gar nicht in den Sinn zu kommen.
„Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen“, erwiderte ich aufrichtig, wenn auch etwas lahm.
„Ich konnte nicht schlafen.“
„Dann freue ich mich umso mehr, dass du einfach gekommen bist.“
Sie stutzte und ertastete vorsichtig meinen Kopf. „Ist das eine Schlafmütze?“ Als ich mich nur räusperte, kicherte sie. „Das ist ja toll! Und sogar mit Bommel!“ Ja, bei jeder anderen Person hätte ich
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