SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Wieder war es Charles, der uns mit seinem Lachen befreite.
„Wir benehmen uns wie abergläubische Wilde“, stellte er amüsiert fest. Rachel musste ebenfalls Lächeln und meinte: „Vielleicht sollten wir einfach aufhören, uns vor der Arbeit zu drücken.“ Sogar ihr Vater brachte ein kurzes, entschlossenes Nicken zustande.
Während sich die Fiddleburys mit Öllampen bewaffneten lud sich Charles unsere gesamte Ausrüstung auf. Als mich Rachel dann auch noch auf den Arm nahm, kam ich mir selbst wie ein Stück Gepäck vor. Allerdings schien ich ein Mut spendendes zu sein; Rachel hielt sich regelrecht an mir fest. Da Charles mit dem Silber auf dem Rücken und den beiden Töpfen in den Händen keine Lampe tragen konnte, betraten wir als Erste den Flur. Schon im nächsten Augenblick erschien mir unser Verhalten gar nicht mehr lächerlich.
Nein, es standen keine Geister auf dem Flur, niemand ließ ein hohles Kichern hören und auch sonst schien alles in bester Ordnung zu sein. Dennoch begann mein Herz zu rasen, als würde der Leibhaftige an meinem Fuß nagen. Die unheilvolle Ausstrahlung des Spukzimmers war seit Sonnenuntergang um vieles bedrohlicher geworden. Ängstlich wie eine Maus verkrallte ich mich in Rachels Unterarm. Warum mussten wir diese Expedition auch nachts durchführen? Plötzlich erschien mir Charles’ Argument, dass wir das Phänomen während seiner stärksten Ausprägung studieren sollten, nicht mehr stichhaltig zu sein.
Auf Rachel schien die bedrohliche Ausstrahlung bei Weitem nicht so stark zu wirken. Gnadenlos trug sie mich immer näher an die Tür des schrecklichen Zimmers heran. Auf dessen Schwelle blieb sie jedoch stehen, um einen langen, zaghaften Blick in den Raum zu werfen. Augenscheinlich handelte es sich um einen gewöhnlichen Raum. Zwei Sessel, ein Diwan, Regale voller Bücher … das einzig Bemerkenswerte war, dass der Boden absolut sauber war. Nicht einmal der Staub schien sich über die Schwelle zu trauen.
Vorsichtig, als würde der Boden sie nicht tragen, machte Rachel einen Schritt nach vorn – und schrie entsetzt auf. Im von außen nicht sichtbaren Teil des Zimmers bewegte sich eine Gestalt auf uns zu. Instinktiv verkrallten wir uns ineinander. Erst nach zwei Herzschlägen erkannten wir, dass wir uns vor einem Spiegel erschreckt hatten. Rachel giggelte völlig überdreht und nahm damit die Spannung von der ganzen Gruppe. Nur mir war der Schreck so tief in die Glieder gefahren, dass ich noch immer wie erstarrt in den Spiegel sah.
„Ein Spiegel, nur ein dummer Spiegel“, rief Rachel lachend und drehte sich zu den beiden an der Tür wartenden Männern um. Und da sah ich es: Die Rachel im Spiegel hatte keine grünen, sondern blaue Augen! Während die Rachel, auf deren Arm ich saß, mit den anderen beiden alberne Scherze austauschte, bemerkte die Rachel im Spiegel offenbar mein Starren. Mit furchtbarer Langsamkeit wandte sie mir ihr Gesicht zu. Als würde es um mein Leben gehen, wollte ich den Blick abwenden, doch das Grauen hatte meinen Körper vollkommen in Besitz genommen. Er gehorchte mir nicht mehr.
Die Rachel im Spiegel begann zu lächeln. Es war das entsetzlichste Lächeln, das ich in meinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen habe. Eine Unmenge schwarzer, zerfressener Zähne kam zum Vorschein. So viel Bosheit lag in diesem Lächeln. So viel abgrundtiefe Verderbtheit, dass ich mich besudelt gefühlt hätte, wäre ich nicht so mit meiner Todesangst beschäftigt gewesen. Schlimmer als die schrecklichen Zähne war, dass dieses „Lächeln“ einfach nicht enden wollte. Es wurde nur immer breiter! Dann war der Punkt erreicht, an dem der Mund sogar breiter als das Gesicht wurde. Aber noch immer wollte das Zerrbild der Heiterkeit nicht aufhören, sich zu verbreitern. Jeden Augenblick würde die Haut ihrer Wangen aufplatzen, doch das wäre der Alptraumrachel wohl zu vorhersehbar gewesen. Stattdessen riss sie urplötzlich einen Rachen auf, der einem Hai alle Ehre gemacht hätte. Mit einem Ausdruck abgründiger Wollust fuhr sie herum und biss dem Bradley im Spiegel den Kopf ab.
Was danach geschah, weiß ich nur aus Erzählungen. Angeblich stieß ich plötzlich ein Krächzen aus und brach ohnmächtig zusammen. Augenblicklich endete die überdrehte Plauderei meiner Begleiter. Nachdem Charles und Rachel überprüft hatten, dass ich nur ohnmächtig war, begannen sie mit der Arbeit. Rachel kümmerte sich um mich, während die beiden Männer schweigend das Silber ausbreiteten und die
Weitere Kostenlose Bücher