Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
scheint zu vergessen, Sir, dass Ihr nur eine Kugel habt, wir aber zu zweit sind.«
Malbec lachte schallend. »Wie mutig gesprochen! Verzeiht, wenn ich Euch verspotte, Mylady, aber in Euch sehe ich wahrlich keine Gefahr. Sobald ich den Captain hier ins Jenseits befördert habe, schlitze ich Euch die Kehle mit meinem Degen auf.«
»Ah, was für eine Ironie des Schicksals!«, sagte Simpson mit einem Lächeln. »Dass die Dame dasselbe Schicksal ereilen soll, das Eurer Dame widerfahren ist.«
»Was?«, stieß Malbec hervor. »Was redet Ihr da?«
Simpson griff in seine Tasche, doch Malbec spannte den Hahn der Pistole.
»Keine Sorge, Major. Ich habe keine Schusswaffe bei mir. Nur dies hier.« Langsam holte er die Kette mit dem Anhänger hervor und wartete Malbecs Reaktion ab.
Der Major schnappte nach Luft. Beinahe hätte er vor Schreck die Pistole fallen lassen. Seine Hand zitterte, als er den Edelstein an der Kette sah.
Henrietta glaubte, die Gelegenheit nutzen zu können. Rasch griff sie nach der offenen Puderdose auf der Kommode und warf sie dem Major ins Gesicht. Der Franzose schrie auf, fasste sich mit der freien Hand ins Gesicht, drückte aber im selben Moment ab.
Der Schuss traf Henrietta in der Brust und durchschlug das Herz. Sie war auf der Stelle tot. Leblos sank sie zu Boden. Malbec ließ die Pistole fallen und rieb sich immer noch das Puder aus den Augen. Simpson hatte derweil seinen Degen gezogen und traf den Major am Unterarm. Blut lief aus einer langen Risswunde. Malbec stöhnte vor Schmerz auf, konnte endlich wieder sehen und zog blitzschnell den Degen, um Simpsons nächsten Vorstoß abzuwehren. Zu überhastet hatte Simpson auf die Körpermitte seines Gegners gezielt und dadurch einen Augenblick lang die eigene Deckung vernachlässigt. Malbec traf ihn am Oberschenkel.
Der Engländer wich mit einem Schmerzensschrei zurück und sah, dass ihm das Blut über die Breeches lief. Als er Malbecs Blick suchte, sah er den abgrundtiefen Hass in den Augen des Franzosen lodern und ahnte, dass Steel recht gehabt hatte: Er, Simpson, hatte während der letzten Jahre die Kunst des Fechtens vernachlässigt. Ihm blieb nur eine Chance: Er musste alles auf eine Karte setzen und der Überlegenheit des Gegners mit brutaler Härte begegnen.
Er nahm die en-garde -Position ein, und die beiden Männer umkreisten einander lauernd in dem kleinen Raum.
Simpson ergriff die Initiative. »Kommt schon, Major. Sollen wir die Sache nicht wie Gentlemen zu Ende bringen? Gönnen wir uns doch ein wenig frische Luft.«
Malbec zuckte die Schultern. »Warum nicht? Mir ist es gleich, wo Ihr Euer Leben aushaucht. Solange ich Euch einen qualvollen Tod bereiten kann.«
Simpson fröstelte bei diesen Worten seines Gegners.
Beide Männer verließen das Zimmer und behielten einander wachsam im Auge, während sie dem Korridor bis zum Treppenabsatz folgten. Der Schankraum unten war inzwischen verwaist. Der zweite Schuss hatte auch den letzten Zecher verjagt.
»Gefällt es Euch hier besser, Captain? Wäre dies für Euch der geeignete Ort zum Sterben?«
Simpson ging darauf nicht ein. Stattdessen machte einen Satz nach vorn. Kein schlechter Angriff für einen Mann, der ziemlich aus der Übung war, aber der französische Offizier parierte die Klinge mühelos, ehe er nach einem Ausfallschritt den Gegenangriff einleitete. Simpson trat zwar noch einen halben Schritt zurück und riss seinen Degen hoch, weil er glaubte, den nächsten Treffer landen zu können, aber Malbec hatte ihn durchschaut und stieß auf Hüfthöhe zu. Tief bohrte sich die Klinge in Simpsons ungedeckte Flanke. Er keuchte und starrte Malbec mit weit aufgerissenen Augen an, als der Franzose die Klinge zurückzog.
»Keine Sorge, Captain. Das war noch kein tödlicher Stich. Dieser auch nicht!«
Bevor Simpson überhaupt eine Chance hatte, sich zu erholen, setzte Malbec nach und zielte diesmal auf den Kopf. Er traf Simpson am linken Auge. Simpson schrie auf, presste die linke Hand gegen das blutende Auge und schlug blindlings nach seinem Peiniger. Doch Malbec tänzelte einen Schritt zurück und hatte alle Zeit der Welt, um zu entscheiden, an welcher Stelle er seinen Gegner nun treffen wollte.
Er spielt bloß mit mir, dachte Simpson voller Schrecken, als der Schmerz mit aller Macht über ihn herfiel. Er tötet mich Zoll um Zoll …
Noch einmal nahm er alle Kraft zusammen und warf sich nach vorn, musste jedoch mit ansehen, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz der Franzose auch diese
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