Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
dass seine Welt in abertausend Splitter geborsten sei, als habe ihm eine ungeheure Druckwelle das Herz aus dem Leib gerissen und in alle Winde verstreut.
Plötzlich begann seine Schulter zu pochen. Er hoffte, dass die Wunde nicht von den Fasern des Stoffs verunreinigt war, wie es so oft vorkam, und sich entzündete. Aber darüber konnte er sich später immer noch Gedanken machen. Er musste sich anderer Dinge annehmen. Instinktiv wusste er, was er zu tun hatte. Als er Slaughter an der Tür erreicht hatte, nickte er einem der Männer zu.
»Ihr, Macdonald. Oben im letzten Zimmer ist meine Frau. Sorgt dafür, dass ihr nichts geschieht. Ich bin bald zurück. Kommt, Jacob. Wir müssen eine Schlacht gewinnen.«
***
Tom Williams fühlte sich nicht wohl in seiner Rolle als Aufpasser für Simpson. Der Mann mochte zwar, wie Steel gesagt hatte, wenig Übung mit dem Degen gehabt haben, aber dafür kam er Williams wie ein Draufgänger vor. Es war beinahe so, als suchte Simpson den Tod, und bislang hatte Williams ihm dreimal das Leben gerettet. Simpson kämpfte immer dort, wo es am gefährlichsten war, und wurde von den Franzosen heftig bedrängt.
Mit Hansams halber Kompanie und den Männern aus Orkneys Regiment, die mit ihnen an Land gegangen waren, verteidigten sie die Barrikaden an der am weitesten südlich gelegenen Straße der Stadt. Es war offenkundig, dass Major Maclean recht gehabt hatte. Der Mond lugte inzwischen durch die Wolkenbänder und warf sein fahles Licht auf ungefähr zweitausend französische Infanteristen, die unaufhaltsam die Anhöhe vom Ufer hinaufkamen. Williams vergegenwärtigte sich die Übermacht des Feindes an diesem Abschnitt und fragte sich, wo Steel blieb. Bestimmt hätte er gewusst, was jetzt zu tun war. Nicht, dass Hansam kein guter Offizier gewesen wäre. Williams hatte großen Respekt vor dem Lieutenant. Es hatte sich nur immer wieder bestätigt, dass Steel diese gewisse Ahnung besaß, wie er seine Männer am sichersten aus den größten Schwierigkeiten herausholen konnte. Allerdings konnte man das, was sie im Augenblick durchlebten, nicht mehr als »Schwierigkeiten«, bezeichnen.
Die Stimme eines Offiziers riss Williams aus seinen Gedanken.
»Sie kommen wieder heran, Männer. Offiziere auf ihre Posten. Augen nach vorn.«
Major Maclean war zu ihnen gestoßen, mit vier seiner Dragoner. Williams glaubte, etwas von Steels eiserner Entschlossenheit in diesem Mann wiederzuerkennen – eine Kaltblütigkeit in der Schlacht, von der Williams nur träumen konnte.
Während sie zusahen, wie die Franzosen heranrückten, gab Hansam den Befehl: »Bereithalten! Anlegen!«
Die Musketen krachten, und zufällig schnappte Williams dann ein paar Brocken auf, als er sah, wie der Major mit dessen Sergeant sprach. »Die Lady … Gefahr … in der Schänke.« Verdutzt beobachtete Williams, wie der Major seinen Männern einen Befehl gab, sich dann abwandte und durch eine der Seitengassen verschwand. Williams schaute ihm wie gebannt nach. War dieser Mann ein Feigling? Unmöglich, das konnte nicht sein. Der Fähnrich konnte nur Mutmaßungen über das Verhalten des Majors anstellen.
Er richtete sein Augenmerk wieder auf Simpson, der auf die Franzosen wartete. Rasch war er bei ihm und erzählte ihm, was er soeben gehört hatte, glaubte er doch, der Captain könne Licht in die Angelegenheit bringen.
***
Simpson hatte gewusst, dass Steel recht haben würde. Er hätte bestimmt nicht den besten Spion abgegeben – auch Steels höfisches Benehmen ließ hier und da zu wünschen übrig –, aber auf dem Schlachtfeld konnte man sich voll und ganz auf ihn verlassen. Hier war er zu Hause. Simpson hatte Steels Ratschlag beherzigt und war immer in Richtung der Geschütze marschiert.
Und plötzlich sah er Malbec. Ihm war, als legte der Mann es darauf an, entdeckt zu werden.
***
Und Simpson hatte recht. Tatsächlich war es aber so, dass Malbec Simpson zuerst erspäht hatte. Zuerst traute der Major seinen Augen nicht. Seit Wochen hatten seine Männer und er den Spion gesucht und nirgends entdeckt. Sie hatten in den finstersten Gassen von Paris nach ihm Ausschau gehalten, hatten sogar den Cour des Miracles durchkämmt und waren gerade noch mit dem Leben davongekommen. Doch dann hatte Malbec neue Befehle erhalten und war zu seinem Regiment zurückgekehrt. Aber er hatte stets geahnt, dass Simpson irgendwo da draußen sein würde.
Auch der andere britische Spion musste dort zu finden sein, der irische Offizier. Der Major hatte sich
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