Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
wir führen jeder eine Kompanie. Die Kompanien sollen unabhängig voneinander entscheiden. Ich will die Preußen und die Dänen auf dieser Seite, im Süden. Sorg dafür, dass du die besten Jungs auftreiben kannst. Alle zu mir. Die Übrigen bilden einen dritten Gürtel weiter im Norden. Sie sollen die Verwundeten dorthin mitnehmen. Und dann beten wir, dass Marlboroughs Verstärkung kommt.«
***
Noch ganz trunken vor Freude über den Tod von Simpson, hatte Malbec den Norden der Stadt am Ufergürtel umrundet und näherte sich den südlichen Barrikaden. Er hatte sich fest vorgenommen, diesen perfekten Tag abzurunden, indem er seine Männer über den Verteidigungswall führte. Ja, er würde die Engländer erledigen und die Stadt für einen dankbaren König einnehmen. Schon sah er sein Regiment vorn im Getümmel; seine Grenadiere bedrängten die Barrikade, die aus Möbeln, Karren und Fässern aufgetürmt war. Malbec rannte die letzten Yards, zog seinen Degen und reihte sich auf der linken Flanke ein.
Genau in diesem Augenblick sah Steel ihn.
Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und das genügte. Steel entriss dem Kameraden zu seiner Rechten die Muskete. Binnen Sekunden drückte er trotz der schmerzhaften Wunde den Kolben gegen die Schulter, hielt den Lauf mit
der linken Hand ruhig, spannte den Hahn und war bereit zum Feuern. Sein rechter Zeigefinger strich über den Abzugsbügel.
Doch der Rauch einer neuen Salve vernebelte sein Ziel, sodass er den Major in den weißen Schwaden aus den Augen verlor. Mit einem Fluch gab er die Muskete dem Grenadier zurück und zog seinen Degen. Der Nebel der frühen Morgenstunden hatte sich inzwischen mit dem Pulverdampf vermischt, sodass es in dem Getümmel immer schwieriger wurde, Freund von Feind zu unterscheiden.
Doch Steel stürzte sich in das Gedränge und versuchte, zu der Stelle vorzudringen, wo er Malbec zuletzt erspäht hatte. Eine weitere Salve zerriss die Luft, als der zweite Zug versuchte, sich vom nachdrängenden Feind zu lösen. Steel hörte, wie Slaughter den Männern mit heiserer Stimme den Befehl zum Nachladen erteilte.
In diesem Moment gewahrte er die flüchtigen Umrisse einer Gestalt ganz in seiner Nähe. Es kam ihm so vor, als wäre ihm ein Gespenst über den Weg gelaufen, aber er war sicher, dass er sich nicht getäuscht hatte. Mit lauter Stimme rief er über das Schreien und Rufen hinweg: »Malbec!«
Die Gestalt hielt inne und drehte sich um. Wieder trafen sich ihre Blicke.
Steel hatte die en-garde -Position eingenommen, während der Franzose ihm mit erhobenem Degen aus dem Nebel entgegeneilte. Die Klingen trafen so hart aufeinander, dass Steel ein Zucken im Arm spürte. Mit einer Drehung des Handgelenks wehrte er Malbecs Degen ab, ging zum Gegenangriff über und traf den Gegner am Schienbein. Malbec wich rechtzeitig zurück, befreite seine Klinge und setzte zu einem weiteren Schlag an. Steel gelang es erneut, den Stoß abzuwehren, aber er wurde langsamer; sein Vorstoß in Richtung von Malbecs Arm war zu kurz. Den Bruchteil einer Sekunde schien die Klinge in der Luft zu hängen. Malbec reagierte blitzschnell, machte einen tollkühnen Satz nach vorn und traf Steel an der linken Flanke. Der Uniformrock erhielt einen großen Riss.
Wieder krachte eine Salve in der Morgenluft, doch diesmal klangen die Geräusche anders. Aus der Ferne wehten Pfeifentöne herüber, untermalt von einem stetigen Trommelrhythmus. Beiden Männern war sofort klar, was dort geschah. Doch sie umkreisten einander in geduckter Haltung. Keiner von beiden wagte einen neuen Angriff.
Steel beobachtete Malbec noch einen Moment länger, ehe er über den Lärm hinweg rief: »Ihr seid erledigt, Malbec! Hört Ihr das nicht? Die Trommeln? Sie spielen den Trauermarsch für Eure Beerdigung. Das sind Marlboroughs Männer, die gekommen sind, um die Stadt für sich zu beanspruchen. Der Konvoi ist sicher, Malbec. Lilles letztes Stündlein hat geschlagen, die Stadt ist verloren. Und Ihr seid ein toter Mann.«
Jubelrufe aus rauen Kehlen drangen durch den Nebel und bekräftigten Steels Worte. Es war zu viel: Voller Hass schlug Malbec nach Steels Brust, aber Steel parierte die Klinge, die ins Leere stieß. Malbec zögerte einen Moment zu lange und konnte nicht mehr verhindern, dass Steel im Gegenzug auf die Brust des Franzosen zielte. Die italienische Klinge aus gehärtetem Stahl durchdrang das Brustbein des Majors, der Steel entgeistert anstarrte. Er wollte ein Wort mit den Lippen formen, doch
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