Stefan Bonner und Anne Weiss
nicht nur etwas mit enttäuschten Erwartungen und fehlender Orientierung zu tun, sondern auch mit dem zum Teil chronischen Mangel an Kompetenz.
Gewinnwarnung – Dumme werden nicht mehr eingestellt Stellen Sie sich vor, Sie seien Formel-1-Pilot und hätten nach lan gem Hin und Her endlich den Rennstall gefunden, der Ihnen ge-fällt. Zufällig ist auch gerade ein Plätzchen in einer der schnellen Seifenkisten frei, und Sie bewerben sich. Dass Sie ziemlich gut sind, haben Sie schon mehrfach unter Beweis gestellt. Das Studium an der Uni Nordschleife haben Sie bei Professor Lauda mit magna cum brumbrum abgeschlossen, und außerdem haben Sie schon einige Praktika absolviert – zuletzt als Schwarzfahrer bei Nachtrennen. Ihre Chancen stehen also ziemlich gut. Zudem kennt Ihre Freundin den Schwippschwager des Team-Physiotherapeuten. Den Job haben Sie im Täschchen!
Frohen Mutes öffnen Sie also eines Tages den Antwortbrief des Rennstallbesitzers auf Ihre Bewerbung: Er verkündet Ihnen, dass Ihr Fahrdienst nicht benötigt wird. »Wir haben uns leider für einen anderen Fahrer entschieden«, steht da ganz lapidar, »nehmen Sie diese Absage bitte nicht persönlich.« Dumm nur, dass mittlerweile alle anderen Cockpits besetzt sind und Sie mindestens eine ganze Saison auf die nächste Gelegenheit warten müssen.
Sie sind geknickt, aber trotzdem beschwingt wegen der netten Absage. Ungehalten werden Sie erst, als Sie wenige Tage später zu-fällig in ein Interview mit dem Rennstallbesitzer hineinzappen. Da-rin verkündet er, dass man das Cockpit noch immer nicht besetzen konnte. Es gebe einfach zu wenig gute Fahrer auf dem Markt.
Sie verstehen die Welt nicht mehr. Obwohl Sie als begnadeter Kurvenschneider in der Tiefgarage geparkt stehen, spricht der Kerl von Fachkräftemangel! Es kommt Ihnen vor, als sollten Sie von der Rennpiste zur Stop-and-go-Strafe in die Boxengasse, wo dann alle anderen Konkurrenten an Ihnen vorbeiziehen.
Derzeit schauen viele Berufseinsteiger der Generation Doof ähnlich konsterniert aus dem Stüssy-Shirt und der Pussy-Deluxe-Unterwä sche, wenn sie erfahren, dass ihre Traumstelle ein Ladenhüter ist, weil die Wirtschaft händeringend nach geeignetem Nachwuchs fahndet. »Das könnten wir doch machen!«, wollen wir schreien. Aber uns will keiner.
Die Bundesagentur für Arbeit meldete beispielsweise im Jahr 2007, dass die Zahl der offenen Ingenieursstellen auf monatlich dreiundzwanzigtausend gestiegen sei. Und der IT-Branchenverband Bitkom wusste im gleichen Jahr von zwanzigtausend Stellen, die bundesweit nicht besetzt werden konnten.
Einerseits sind diese Meldungen durchaus erfreulich, steigt doch nach Jahren der Flaute endlich wieder die Zahl der angebote-nen Jobs. Zur selben Zeit finden aber Tausende junger Menschen keine Stelle. Wer die Arbeitsmarktlage aufmerksam beobachtet, der merkt: Hier stimmt etwas nicht. Was hindert die Chefs daran, dem drängelnden Nachwuchs einen Job zu geben? Schließlich stehen doch genügend Freiwillige auf der Straße.
»Ich würde jungen Menschen gerne eine Chance geben«, sagt Nor bert Meyer, der eine kleine Presseagentur in Hamburg leitet, »aber die meisten Bewerber sind einfach untragbar.« In seiner Firma gibt es auch einige junge Mitarbeiter, doch trotz der Fülle an Bewerbern ist es stets mit Problemen verbunden, die offenen Stellen mit quali fizierten Kräften zu besetzen.
Die meisten Probanden erhalten bei Meyer erst gar nicht die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Sie scheitern bereits im Bewerbungsverfahren, und das nicht selten an einfachen Formalien. Bewerbungsmappen mit Schnappschüssen in formvoll-endeter Freizeitkleidung sind an der Tagesordnung. Anschreiben mit Kaffeeringen, Fettflecken, Spritzern von Tomatensauce oder anderem Lebenssaft und sogar unleserliche handschriftliche Be werbungen finden den Weg auf Meyers Schreibtisch und landen sofort in der Ablage P, also im Papierkorb.
Wer es bei Meyer ins Bewerbungsgespräch schafft, der hat be reits eine harte Auswahlprozedur überstanden – gemessen an den Maßstäben einer Generation, die, wie Meyer berichtet, auch mit Clearasil korrigierte, knallbunt gestaltete Briefe zum potenziellen Arbeitgeber schickt.
Was Meyer im Einzelgespräch zu hören bekommt, übertrifft die postalischen Katastrophen sogar oft noch. »Manche sitzen da und bringen keinen Ton heraus«, erzählt er. »Was soll ich denn da machen?« Kürzlich hat sich eine junge Frau auf die Stelle einer Re dakteurin oder
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