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Stefan Bonner und Anne Weiss

Stefan Bonner und Anne Weiss

Titel: Stefan Bonner und Anne Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Generation Doof
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Beschwerden der Generation Praktikum oft übersehen wird.
Als Geisteswissenschaftler haben wir Autoren während unseres Studiums regelmäßig Kommilitoninnen und Kommilitonen getrof fen, die wie wir in den Journalistenberuf einsteigen wollten, aber keinerlei praktische Erfahrungen besaßen. »Hast du denn schon mal ein Praktikum gemacht oder für irgendeine Zeitung geschrieben?«, war eine beliebte Frage, mit der man abcheckte, ob das Ge-genüber mehr Kontakte und Kenntnisse hatte als man selbst. Die häufigste Antwort war: »Nö, das hat bis nach dem Studium Zeit.« Das bekamen wir auch im zehnten Semester noch zu hören. Ein klares Bild davon, ob der Traumjob alltagstauglich ist, bekommt man auf diese Weise allerdings nicht.
Bei den Ausbildungsberufen ist die Lage nicht viel besser – auch hier gibt sich jeder insgeheim oder öffentlich Illusionen über das hin, was er nach der Schule erreichen kann. So äußerte sich der Bürgermeister von Bedburg, Gunnar Koerdt, gegenüber der ZEIT: »Wenn ich in die Abschlussklasse der Hauptschule gehe, höre ich, dass die zur Hälfte kaufmännische Angestellte werden wollen. Da frage ich mich, ob mal einer da war, der ihnen ihre Lebenssituation kommuniziert hat.«
Kein Wunder, dass so mancher ohne Lehrstelle bleibt, wenn er sich nicht die Finger schmutzig machen will. Berufliche Wunschvorstellun gen und die Realität klaffen bei der Generation Doof so weit auseinan der wie bei einem Baggerfahrer, der sich als Formel-1-Pilot bewirbt.
Diese Diskrepanz ist vor allem dann zu beobachten, wenn es mit der großen Karriere einfach nicht schnackelt und der Betrof fene das gepflegt verdrängt. Was richtig Generation Doof ist, lässt sich von seinem Traum nicht trennen, selbst wenn man die letzte Jobausfahrt schon längst verpennt hat. Besser nach einer realitäts-nahen Verdienstmöglichkeit Ausschau halten? Das ist doch viel zu spießig – und kostet vor allem Mühe. So ergeht es auch Ariana Bünger, die nun schon seit einem knappen Jahrzehnt der verpassten Karriere als Model hinterher träumt. Der Irrweg zum Laufsteg hat sie so ziemlich alle Chancen gekostet, die sie gehabt hätte, um sich noch mal anders zu orientieren. Und die Uhr tickt. Demnächst geht sie nur noch als Seniormodel für den Quelle-Katalog durch. Das Doofe dabei ist nicht, dass sie einen Traum hatte, sondern dass sie jedes kleine Angebot, doch noch vor die Linse zu rutschen, aus-schlug, weil es ihr zu schlecht bezahlt war oder weil sie fürchtete, ihr Gesicht dabei für Größeres zu sehr zu verbrauchen. Da sie auf keiner Modenschau auftrat, konnte sie dieses Gesicht jedoch niemand anderem zeigen als ihrem Badezimmerspiegel.
Dass es nun weniger als je zuvor eine Möglichkeit gibt, doch noch Topmodel zu werden, will Ariana sich nicht eingestehen. Mit Mitte dreißig arbeitet sie nun seit einigen Jahren ganztags an der Kasse einer großen Supermarktkette und hofft, dass mal ein Model agent mit einem Tetrapak Frischmilch vorbeischneit und sie vom Fleck weg engagiert. In der Zwischenzeit sind für sie viele Gelegenheiten verstrichen, sich nach einem interessanteren und ertragrei-cheren Beruf umzutun, mit dem sie ihren Lebensunterhalt auch auf lange Sicht bestreiten kann.
Vielleicht hat Arianas mangelnde Initiative damit zu tun, dass sie keine echte Alternative zu ihrem versiebten Traumjob erkennt, weil sie vor lauter Schreibtischen den Arbeitsplatz nicht mehr sieht, der zu ihr passen würde.
»Die Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist eine verwirrende, chaotische Landschaft«, schreibt Michael Stürmer, Chefkorrespon-dent der WELT, über die heutige Gesellschaft. »Sie wird dadurch nicht übersichtlicher, dass die Landkarten und Wegzeichen, die Denken und Politik leiten, großenteils aus vergangenen Epochen stammen und Richtungen weisen, die nicht mehr viel bedeuten. Entgrenzung, Beschleunigung, Unübersichtlichkeit sind Signatur der Epoche.« Was Ariana & Co. angeht, kann man diese Fest-stellung auch auf die Arbeitswelt übertragen: Die Wegweiser zum Berufseinstieg sind veraltet. Wir sehen uns plötzlich einem gigantischen Labyrinth der Möglichkeiten gegenüber. Nichts ist mehr so, wie es einmal schien. Und das erschwert uns den Einstieg in den Job ungemein. Wir wühlen uns durch Praktika und versuchen Kontakte zu knüpfen, bis wir irgendwann ein Schlupfloch in unseren Wunschberuf gefunden haben – oder einsehen, dass wir uns mit einer Notlösung zufrieden geben müssen.
Wie schrecklich mühsam das ist: Erst fiel uns

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