Stefan Bonner und Anne Weiss
darf er natürlich, aber wir schauen ihm genau auf die Finger.« Sebastian grinst. »Ich hab ja vor ein paar Jahren selbst noch wie ein Bekloppter gezockt. Da macht er mir so schnell nichts vor.«
Sebastian und Katharina gehören zu einer neuen Elternriege. Sie geben ihren Kindern Holzspielzeug, reden schockierenderweise mit ihnen über ihre Schulerlebnisse und überwachen den Medien konsum der Kids wie Big Brother.
»Es gibt nichts Demokratischeres als einen Fernsehapparat: Man kann einschalten, um-schalten und ausschalten.« Günther Jauch
Noch sind Sebastian und Katharina leider eine Ausnahmeerschei nung – die sich allerdings bald zu echten Konkurrenten der Generation Doof entwickeln könnte. Denn als größte Schwachstelle im Umgang mit den neuen Medien machen Experten immer noch die Eltern aus.
»Der Beratungsbedarf ist enorm«, sagt Christine Feil, Medienex-pertin beim Deutschen Jugendinstitut in München. Bei vielen Eltern herrscht Ratlosigkeit über das, was ihr Sprössling mit dem Computer treibt und welche Filme und Fernsehsendungen sich der Pubertäts-anwärter täglich einverleibt. Es mangelt uns an Medienkompetenz. Mühe und Einarbeitungszeit ist vonnöten, wenn man das ausufernde Unterhaltungsangebot überblicken und entscheiden will, was für den Nachwuchs geeignet ist und was nicht. Das ist kein Spaß, wenn man Glotze und Spielkonsole sonst gerne mal als bequeme Erziehungshil fe verwendet und keine Zeit oder Lust hat, sich über den Umgang der Kinder mit Medien allzu viele Gedanken zu machen.
Die Generation Doof hätte ironischerweise gerade wegen ihrer vielfältigen Fernseh-und Computerspielerfahrung die Chance, ih-rem Nachwuchs eine veritable Fernbedienung mit Kindersicherung oder ein Kinderschutzprogramm für den PC zu sein. Wer selbst mit Rocky und Stirb Langsam aufgewachsen ist und bis zum Erbrechen Summergames, Doom und Tomb Raider gespielt hat, könnte einfa cher entscheiden, was man dem eigenen Kind zumuten kann. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass wir unser Gehirn nicht auf Stand-by geschaltet haben und kapieren, dass so viel seichter TV Schwachsinn als alleiniger Freizeitvertreib auf Dauer die geistigen Fähigkeiten schrumpfen lässt.
Die Chancen, dass sich ein Großteil der Generation Doof mit der Zeit von der medialen Kanalisation abwendet, stehen gar nicht so schlecht. Grundsätzlich sind wir Doofen lernfähig. Wir müssen es nur wollen und den Hintern von der Couch erheben.
So wie Katharina und Sebastian. Der wahre Grund, warum sie sich vom Fernsehen verabschiedet haben, war recht simpel: Sie hatten das Gefühl, es gäbe einfach nichts Neues mehr zu sehen. »Wenn man fünfundzwanzig Jahre lang fernsieht, ins Kino geht und Computer spielt«, sagt Sebastian, »dann hat man irgendwann das Gefühl, in einem Loop gefangen zu sein.« Katharina, die den Fernseher früher vor allem zur unkontrollierten Berieselung ver wendet hat, kennt noch einen anderen Grund, warum sich Abschalten lohnt: Die ohnehin knapp bemessene Freizeit ist ihr inzwischen zu schade. »Ich wollte früher abends nicht mehr groß nachdenken. Mir war eigentlich egal, was gerade in der Glotze lief, Hauptsache, da brabbelte einer beruhigend auf mich ein«, erinnert sie sich. »Ir gendwann hab ich dann aber gemerkt, dass mein Leben genauso vor sich hinplätscherte wie das Fernsehprogramm.« Der Beschluss war bald gefasst, die Abende wieder aktiver zu gestalten und mehr gemeinsam zu unternehmen.
Wenn man sich zu erinnern versucht, wann zuletzt etwas revo-lutionär Neuartiges im Fernsehen ausgestrahlt wurde, raucht einem bald der Kopf, denn es ist unter Umständen sehr lange her. Mit dem Internet ist es ähnlich: Wer seine Freizeit komplett im Chat verbringt oder seine Erlebnisse im Blog ausführlich kommentiert, der ist durchaus mit einem japanischen Fototouristen vergleichbar, der seine Reise nur durch die Linse der Kamera wahrnimmt. Genauso geht es uns, wenn wir unseren Medienkonsum nicht selbst sinnvoll steuern: Wir müssen uns dann nämlich fragen, ob wir das Internet nutzen, um unser Leben darzustellen, oder ob wir das Le ben nutzen, um es im Internet darzustellen.
Das Ende des medialen Blödsinns könnte also auch dank schlichter Desillusionierung kommen.
» Was einem heute im Fernsehen geboten wird, ist von einer solchen Erbärmlichkeit, dass ich den Apparat fast gar nicht mehr einschalte. Ich habe mir das Fernsehen nahezu völlig abgewöhnt.« Loriot
Vielleicht ergeht es uns einmal so wie der Figur
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