Stefan Bonner und Anne Weiss
wer sich in den Straßenschluchten der Ballerspiele verliert, läuft Gefahr, zu einer Gefahr für sich und andere zu werden. Wer in einem Moment des Kontrollverlusts seine Tastatur zerlegt und sich dabei filmen lässt, könnte allerdings höchstens der nächste YouTube-Hit werden, ähnlich wie der eingangs beschriebene »ver-rückte Computerspieler«.
Das Gros der Computerspieler gönnt sich allerdings eher nebenbei mal eine Schießerei, wie eine Studie der Spieleschmiede Electronic Arts zutage gefördert hat. Die meisten Videospieler be-schäftigen sich häufiger mit Büchern und Zeitungen als mit der Spielkonsole. Sie sind sogar wesentlich aktiver als Nichtspieler: Tat-sächlich treiben die meisten von ihnen mehr Sport, gehen häufiger aus und treffen sich öfter mit Freunden. Und jetzt halten Sie sich fest: Hätten Sie gedacht, dass die vielgescholtenen Ballerspiele sogar das Gehirn trainieren?
An der University of Rochester wurden Testpersonen mit Spielen wie Half-Life oder Counterstrike darin geschult, ihre Aufmerksamkeit zu kontrollieren und sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Und tatsächlich waren sie nach einer Weile in der Lage, auf einem Monitor Wichtiges von Unwichtigem besser zu unter scheiden als eine Vergleichsgruppe ohne entsprechendes Training.
»Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer.« Jürgen Rüttgers Ballerspiele sind also nicht grundsätzlich doof. Bei ihnen wie beim Fernsehen gilt: Hinsehen statt wegsehen – aber anders als Sie jetzt denken. Statt das Knötterkind aus Bequemlichkeit dem Flimmerkasten oder der Spielkonsole zu überantworten, sollten Eltern sich mit dem Freizeitvertreib ihrer Kinder beschäftigen und diesen in die richtigen Bahnen lenken, damit der fortschreitenden Verblö dung Einhalt geboten wird. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass sie selbst erst mal hinter der Glotze hervorkommen.
Game Over –
Wenn die Generation Doof erwachsen wird Katharina Bauer und ihr Freund Sebastian wirken auf den ersten Blick ganz normal. Sie sind Anfang dreißig, haben einen kleinen Sohn, wohnen in einem beschaulichen Stadtteil von Köln, gehen im Supermarkt um die Ecke einkaufen und jeden Tag zur Arbeit. Wer die beiden näher kennt, weiß aber, dass sie anders sind als die anderen. Ihnen fehlt etwas Entscheidendes. Sie haben nämlich kei nen Fernseher.
Können Sie sich das vorstellen? Keinen Fernseher!? Nicht nur die GEZ glaubt ihnen das nicht. Dabei geht das jetzt schon seit fünf Jahren so. Wie halten die das durch? Das wollten wir wissen und haben nachgefragt.
Katharina und Sebastian empfangen uns in ihrem Wohnzimmer, wir sind natürlich ziemlich neugierig zu erfahren, wonach man seine Möbel überhaupt ausrichtet, wenn man keinen Fernseher hat. Der Kulturschock hält sich in Grenzen. Wir nehmen in einer kuscheligen Sofaecke Platz. Wirkt alles ganz gemütlich, lädt zum Verweilen und zum netten Plausch ein. Ein wenig ungewohnt ist dass man seinem Gesprächspartner gegenübersitzt und nicht gleich frontal auf den Fernseher starrt, wie das üblicherweise der Fall ist Man hat normalerweise ja nur ein Sofa, und das parkt natürlich gegenüber der Glotze.
»Und?«, wollen wir wissen. »Wie ist das Leben ohne Fernseher so – vermisst ihr nichts?«
»Na ja, anfangs schon«, sagt Sebastian. »Mit der Zeit haben wir uns aber dran gewöhnt, und jetzt fehlt uns gar nichts mehr.« Früher hatten die Abende bei den beiden fast immer den gleichen eintöni-gen Ablauf. Katharina kam geschafft von der Arbeit und ließ sich vor der Kiste nieder. Sebastian widmete sich derweil seiner Zweit-karriere als Trainer in Fußball Manager 2008. Erst als der Nachwuchs kam, war das der Anlass für die beiden, einen Schlussstrich zu ziehen und die Bespaßungsanlagen einfach rauszuschmeißen. Was für Freaks!
»Womit verbringt ihr denn jetzt eure Abende?!« Wir sind noch immer fassungslos.
»Wir unterhalten uns, lesen ein Buch oder die Zeitung und spielen mit unserem Sohn.« Das wird ja immer merkwürdiger.
»Wird der denn in der Schule von anderen Kindern nicht ge hänselt, so ganz ohne Fernseh-Erfahrung?«, fragen wir. »Der kann ja gar nicht mitreden.«
»Nein, da gibt es keine Probleme. Er selbst kennt es nicht an ders, weil er ohne aufgewachsen ist«, erklärt Katharina. »Außerdem schauen wir uns zusammen schon mal eine DVD auf dem Computer an oder gehen ins Kino. Wir sind ja nicht völlig weltfremd.«
»Und wie haltet ihr es mit Computerspielen?«
»Spielen
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