Stefan Bonner und Anne Weiss
braucht dafür nicht sonderlich clever zu sein, im Ge genteil. Überschäumende Intelligenz wirkt auf uns eher abtörnend. wir stehen viel zu gerne selbst im Mittelpunkt, und da stört es nur, wenn der Partner abends die intellektuelle Keule auspackt und Fellini statt Fellatio will. Wir suchen lieber jemanden, der in Bezie hungsdingen für das Wesentliche zur Verfügung steht.
Ein kleines Beispiel: Annes Mitbewohnerin Anuschka hatte ei nen ziemlich schlauen Freund. Harkan war Jurist und wusste zu allem was zu sagen. In Anuschkas Oberstübchen hingegen brannte nur recht selten Licht. Die WG-Mitbewohner rätselten über die Fä- higkeiten, die sie in die Beziehung einbrachte. Ihre Neugier wurde gestillt, als Anuschka eines Tages stolz erzählte, ihr verstaubter Col lie namens Dusty sei sehr eifersüchtig und sensibel. Immer, wenn sie und Harkan sich näher kämen, würde der Köter anfangen zu bellen.
Fortan konnten die WG-Genossen es nicht mehr überhören: Dusty bellte jeden Sonntagmorgen in der Zeit von halb elf bis elf. Man konnte die Uhr danach stellen. Für so viel leidenschaftliche Hingabe war Harkan also bereit, nicht nur den Hund, sondern auch Anuschkas Marotten zu ertragen und über ihre Beschränkt heit hinwegzusehen. Sie muss einige beachtliche Tricks draufgehabt haben.
Als die beiden eines Sonntagmorgens verliebten Blickes die Ge-meinschaftsküche betraten, gab Harkan zu erkennen, dass er sehr wohl wusste, welche Fähigkeiten er an seiner Anuschka besonders schätzte, und wo ihre Grenzen lagen.
»Anni, mein Glücksbärchi«, sagte er mit ernster Miene und schnitt sich eine Scheibe Biobrot ab. »Heute brauche ich deine Hil fe. Es ist etwas, das nur du so gut kannst, und deswegen bin ich ganz auf dich angewiesen.«
»Ach, Harki«, säuselte Anuschka ergriffen. »Sag mir nur, was ich machen soll.«
Sie war schon halb auf dem Weg zurück ins Bett, als er einen Zettel aus der Hosentasche zog. »Ich brauch dich, um die Lottozahlen anzukreuzen. Nicht nachdenken und einfach sechs in neun-undvierzig Stellungen. Das kannst du doch so gut!«
Eines ist sicher: Außer auf dem handelsüblichen Weg haben sich Harkan und Anuschka in ihrer Beziehung nicht gegenseitig be fruchtet. Ihre Unzulänglichkeiten konnte Anuschka bei Harkan stets mit ein paar geschickten Handgriffen wettmachen – und der ertrug dafür im Gegenzug ihre Doofheit. Im Manager-Jargon heißt ein solcher Deal »Win-win-Situation« nach geschickter Partnerwahl; im biologischen Sinn wäre es nur die Symbiose zweier amö boider Einzeller.
Schöne Bezeichnungen für einen faulen Kompromiss, der für die Generation Doof typisch ist: Wir sind Meister im Verdrängen von Nachteilen, wenn wir dabei das bekommen, was uns selbst am wichtigsten erscheint. Unsere eigenen Bedürfnisse stehen im Vor dergrund, und deren Befriedigung machen wir uns gerne so ein fach wie möglich. Eine Partnerschaft darf für uns daher nicht zu anstrengend sein, sonst suchen wir schnell das Weite.
Die Generation Doof hat zwei Typen solcher Liebesminimalis ten hervorgebracht: Die eine Hälfte reduziert Zweisamkeit auf das, wofür sie ursprünglich mal gedacht war, nämlich auf die körper liche Zuwendung vornehmlich zum Spaß, seltener zur Fortpflanzung. Sex, das ist des Luders Kern, würde wohl Faust sagen, wenn er sich das Drama der Liebe heute anschauen würde. So offen und schamlos, wie wir heute über Stellungen, Maße, Reibungswärme, Schmierstoffe und andere Flüssigkeiten sinnieren, so intensiv und unverbrämt suchen wir auch nach geeigneten Sexualpartnern, die mit uns in die Kiste springen, ohne zu zögern. Ein simples Vergnü gen. Wer keine tieferen Beweggründe hat, der braucht sich – außer mit den Weichteilen seines Partners – mit den weichen Faktoren einer Beziehung nicht herumzuquälen.
Traute Zweisamkeit über einen längeren Zeitraum durchzu halten, daran ist die Sex-Fraktion der Generation Doof nicht interessiert. Warum in aller Welt sollten wir eine Unterschrift unter einen Ehevertrag setzen, der uns später mal teuer zu stehen kom-men kann, wenn wir den gleichen Spaß gratis bekommen können, und das auch noch völlig unverbindlich? James Bond ist schließlich auch in jedem Film mit mindestens zwei Frauen im Bett gelandet. Das klingt vielleicht nicht nett, ist aber für viele von uns durchaus ein einleuchtender Gedankengang.
»Anscheinend sind tiefe Bindungen ›out‹ und der wo verlassen wird, ist dann der Dumme.«
Dagobertus auf liebeskummerpillen.de
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