Stefan Bonner und Anne Weiss
Beispiel für die Sex-Fraktion der Generation Doof. Die kennt keine Scham, besitzt ein natürliches Mitteilungsbedürfnis bezüglich ihrer sexuellen Vor-lieben und potenziert diese Eigenschaften oft und gerne durch ein Quäntchen Alkohol.
»Hier krieg ich alles, ich muss hier nicht mal weg, hier hab ich Drogen, Freunde und Sex.«
Sido So wie Gina ticken viele: Im sonst eher beschaulichen Züricher Oberland filmten sich unlängst etliche Schüler bei Oral-und Grup pensex, zeigten die Handyfilme dann auf dem Pausenhof herum und wunderten sich, als die Pornos wenig später im Internet und auf dem Schreibtisch des Schuldirektors landeten. Ähnliches spielte sich im eigentlich als züchtig bekannten Bayern ab, als die Polizei nach einer Razzia an einer Hauptschule in Immenstadt rund zwei hundert Schülerhandys mit Sexfilmchen beschlagnahmte. Und im Ländle flog ein Mädchen von der Schule, weil es Pornovideos auf dem Handy hatte, die so brutal waren, dass sie unter das Strafgesetz fielen.
Den Schulhofpornografen kann man eigentlich keinen Vorwurf machen. Sie wissen es nicht besser, denn sie sind täglich von Sex umgeben: Brüste an Plakatwänden, Brüste im Fernsehen, Brüste auf Speiseeis-Packungen und Brüste auf Webseiten. Und dazwischen ein Ständer mit Hochglanzmagazinen, in denen es heiß her-geht, und jede Menge knackige Popos in Musikvideos und an jeder zweiten Litfaßsäule. So viel ungenierte Fleischbeschau wie heute gab es noch nie.
»Wo fing es an und wann? Was hat dich irritiert?
Was hat dich bloß so ruiniert?«
Die Sterne Früher zog sich Großvater wenigstens noch anstandshalber mit dem Pornoheft in den Hobbykeller zurück, und Oma lief beim Anblick von nackten Tatsachen im Fernsehen puterrot an.
Heute schämt sich niemand mehr. Lust ist öffentlich, alle wol-len an der großen Orgie teilhaben oder wenigstens mitreden. Sex wird an jeder Ecke und zu jeder Tageszeit präsentiert, für Alt oder Jung, schmuddelig oder steril, als Abo fürs Bezahlfernsehen oder to go wie der Kaffee im Fastfood-Restaurant. Wir diskutieren über »Neue Monogamie« – die nichts weiter ist als erlaubtes Fremdge-hen, das es schon in der Zeit der freien Liebe gab.
Wir informieren uns in der Cosmopolitan über »169 Wege, Männern den Verstand zu rauben« – was nichts anderes ist als ein Ratgeber für Sexdienstleistungen, bei denen Frau lernt, wieder Lustobjekt zu sein. Was wir davon an unserem Liebsten ausprobiert haben und wie er unsere Leistung einstuft, bequatschen wir dann in der Schlange beim Bäcker oder mit der Freundin in der Bahn. Was ist schon dabei? Sex ist Fun, und nichts weiter – das wird uns zumindest eingeredet. Gefühle kehren wir dabei lieber einfach un-ter den Teppich.
Unterhaltung aus einem InternetForum:
Frage von SupaGio: Ihr kennt doch sicher alle diese Liebe ist-Männeken … Wie wäre denn euer Spruch?
Dinasta (nach drei Minuten): … Spaß
Liebe ist für viele Vertreter unserer Generation Doof offenbar ein großer Spaß. Das bedeutet aber auch, dass wir unseren Partner nicht ernst nehmen können oder wollen, denn unser Frauen-oder Männerbild ist von einschlägigen Sendungen im Fernsehen weich gekocht, in denen sekundäre Geschlechtsmerkmale in die Kamera gehalten und stetig Begehrlichkeiten nach dem schnellen Vergnü gen ohne Verpflichtungen geweckt werden.
Sich nur mit dem zu beschäftigen, was dem Körper einen Hei denspaß beschert, heißt, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, ohne den Rattenschwanz an Problemen zur Kenntnis zu nehmen, die der Liebespartner eventuell in die Beziehung einbringt. Mit der verkorksten Familiengeschichte des Flirts aus der Großraumdisko brauchen und wollen wir uns schließlich nicht auskennen.
Eine länger andauernde Beziehung wäre für uns eine Belastung, denn man müsste sich ja auf die Eigenarten und Probleme des Part ners einstellen und Kompromisse eingehen. Bevor es problematisch wird, ziehen wir deswegen lieber die Reißleine und führen Beziehungen im Sesamstraßen Format: kurz, bunt, lustig.
»Ich hatte schon über zwanzig Freundinnen und war mit mehr als vierzig Girls im Bett«, brüstete sich DSDS-Finalist Max Bus kohl in der Jugendzeitschrift Popcorn mit seinen Bettgeschichten. »Für manche klingt das krass, aber ich kann nun mal nicht genug kriegen!«
Der flotte Max war zu diesem Zeitpunkt erst süße achtzehn Jahre alt. Vielleicht noch zu jung, um zu wissen, dass man nicht jede Journalistenfrage mit einer ehrlichen Antwort würdigen muss.
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