Stefan Bonner und Anne Weiss
das oberste Ziel der Rollenspieler – immerhin ein Drittel von ihnen hat das vor. Und wenn nebenbei noch eine Partnerschaft abfällt, dann umso besser!
Es scheint einfacher zu sein, sich mit einer Fee namens »Hesperia Sternenzart« oder einem Zwerg namens »Elfregg Axthieb« und deren Erlebnissen auseinander zu setzen, als Uschi aus dem Fitnessstudio und Rainer von der Steuerfahndung live und unverbrämt kennen zu lernen. Die Leidenschaft für eine Fantasiefigur ist außerdem weitaus unverbindlicher, da im Notfall ja alles nur ein Spiel ist (»Das Techtel mechtel mit dem pickligen Gnom? Das war doch gar nicht echt!«).
Darüber hinaus entfällt auch der Aufwand, den man im Nor malfall betreibt. Wanja, einunddreißig, Anwältin in Bremen, hat im echten Leben schlechte Karten: »Ich arbeite meist bis in die spä ten Abendstunden. Dann bin ich zu müde, um mit jemandem zu reden. Wo und wann soll ich denn da bitte noch eine Frau kennen lernen?«
Fürs gemütliche Anbandeln bleibt nicht viel Zeit. Im Tem-porausch gefangen, ziehen uns obskure Zweisamkeitsstifter wie Speed-Dating, SMS-Flirt-Hotlines auf VIVA und Dating-Shows im Fernsehen magisch an.
Im Internet bietet die Seite webdater.de Singles an, sich für denselben Abend oder einen der folgenden Tage zu verabreden. Man gibt an, wann man Zeit hat und in welchem Umkreis man einen Partner sucht, und umgehend erscheinen Fotos, aus denen man sich sein Wunschdate aussuchen kann. Über die gefilterten Partner namens »Feelgood«, »Muckel« und »toto2007« erfährt man zwar nichts, was über deren Alter und Aussehen hinausginge, doch sie liegen immerhin in der Auslage und warten auf unsere Nachricht. Um erotische Kontakte geht es bei den Flirtanzeigen des Anzeigenportals kijiji.de, wo mehr als eindeutige Angebote zu
finden sind: »Hallo welche Einzelne Sie Er oder Paar Möschte sich Mor gen Früh auf dem Parkplatz Aachener str hinter Königsdorf gerne vor der Arbeit Abgreifen Lassen no Sex. Dann geht die Arbeit besser von der Hand wen man oder sie schon die Freuden des Mor gens Hatte jeder Kann sich melden, es wied alles sehr Zährtlich von statten gehen. Ausehen, Alter Grösse, Gewicht Nat, alles ist nebensa-che. wir Treffen uns haben spass und Fahren wieder. KFI PS nochmal kein Sex nur bei dir Abgreifen bis zum ……… Mfg« Anzeige auf Kijiji.de
Wem diese Form des Schnelldates nicht ökonomisch genug erscheint, der kann sich auch ein Mehrfachdate besorgen: schnell, schneller, Speed-Dating. Das kostet nicht nur etwas, nämlich pro Dating-Abend je nach Veranstalter zwischen zwanzig und fünf zig Euro, sondern wir werden auch selbst in dem Verfahren zur Ware.
»Kommerz und Romantik rücken dabei eng zusammen«, er-klärt Ralf Westhoff, der Regisseur des Films Shoppen , in dem es um Speed-Dating geht, ein ebenso simples wie unromantisches Verfahren, bei dem die Teilnehmer nur ein paar Minuten miteinander verbringen, ehe sie zum nächsten Teilnehmer weiterrücken und wieder von vorn mit dem Plaudern anfangen müssen. Wie viele segensreiche Erfindungen, die unser Leben vereinfachen, kommt dieser Jux aus den USA.
Natürlich kann man in wenigen Minuten nicht herausfinden, ob der-oder diejenige einen zauberhaften Charakter hat oder wie umfangreich das Spezialwissen des jeweiligen Gegenübers über Pfeilgiftfrösche im Amazonasgebiet ist.
Jedenfalls nicht, wenn man nur die üblichen doofen Fragen stellt, bis die Zeit abgelaufen ist:
· Was schätzt du, wie alt ich bin?
· Was machst du beruflich?
· Was machst du gerne in der Freizeit?
· Warst du schon mal bei einem Speed-Dating?
Es wäre ja auch unfair, wenn man für eine solch schlichte Ge-sprächsführung belohnt würde. Ob wir erfolgreich mit der Trophäe – einer oder mehreren Telefonnummern – nach Hause gehen, ent scheidet jedoch nicht unsere Kreativität oder unser Hirn, sondern wie üblich unser Aussehen.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass für den persönlichen Erfolg eines Speed-Dating-Teilnehmers sein ansprechendes Äußeres verantwortlich ist. »Attraktivität beeinflusst den ersten Eindruck sehr stark«, erklärt beispielsweise Lars Penke von der Berliner Humboldt-Universität und erklärt damit das Dilemma des Speed-Datings: Viel mehr Zeit als für einen ersten Eindruck bleibt nicht, und unser Äußeres entscheidet, ob der andere uns wie dersehen will oder nicht.
Wie Romantik und Umwerben wirklich funktionieren, wissen wir nicht mehr. Nicht umsonst brauchen wir Nachhilfe vom
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