Stefan Bonner und Anne Weiss
und miefigen Kneipen verbringen. Peinliche Anmachsprü-
che wie: »Kennen wir uns nicht irgendwoher?« gehören der Vergan
genheit an. Lange Gespräche, bei denen man sich an den anderen
herantastet, sind ebenfalls hinfällig. Zwei, die sich nach computer
generierter Übereinstimmung treffen, wissen schon, dass sie grund-sätzlich zueinander passen, und es kann ohne lange Umschweife
gleich zur Sache gehen. Unsere Freundin ist dabei die altmodische
Ehrlichkeit: Das erste Date könnte ein schnelles Ende finden, wenn
unsere Bekanntschaft auf Orlando Bloom gewartet hat und dann
einem explodierten Fraggle gegenübersteht.
Die elektronische Form der Liebesanbahnung hat noch einen
Vorteil: Gefällt uns der Partner nicht, den die Software nach dem
Interessenabgleich vorschlägt, klicken wir ihn oder sie einfach weg,
löschen ihn aus unser Freundesliste oder lassen ihn ohne Erklärung
links liegen. Immerhin haben wir ja Geld für diese Auswahl ge
zahlt, und da sind wir über jedes mittelmäßige Angebot enttäuscht.
Wir fühlen uns wie im Supermarkt, wo wir der Verkäuferin an der
Käsetheke schließlich auch nicht behutsam erklären müssen, war-um wir ihren muffelnden Brie nicht wollen.
Online-Dating bedeutet Freiheit: Die Möglichkeit, unverbindlich
Verbindungen für den Moment einzugehen und von der virtuellen
Welt wieder Abstand zu nehmen, wann immer es uns passt – das
erleichtert uns die anstrengende Gegenwart.
Die Internet-Kuppelei hat Hochkonjunktur: Die Zahl der Nutzer
von Angeboten wie parship.de, neu.de und flirt-fever.de wächst ste- tig, denn die Aussicht auf kuschelige Zweisamkeit lockt Kunden zu-hauf an. Immerhin 5 Millionen Singles lassen sich bei neu.de darauf
ein, bei parship.de sind es 3 Millionen; Friendscout24.de registriert
3,8 Millionen Mitglieder in Deutschland, und bei dem Jamba-Por
tal iLove.de sind es in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Russ
land und Polen insgesamt 4,5 Millionen Mitglieder. Die Plakate der
Internet-Firmen hängen überall und locken mit dem Versprechen
vom schnellen Glück. »Wenn Sie sich nach einer lang anhaltenden,
erfüllenden, glücklichen Beziehung sehnen, sollten Sie nichts dem
Zufall überlassen – denn die wahre Liebe kann nicht warten!«, wirbt
beispielsweise der Internet-Kuppler be2 verheißungsvoll. Pro Stunde
entstehen heute sechsundvierzig Beziehungen in Deutschland über
das Internet, wie die Zeitschrift YAM ausposaunte. Wie lange diese
halten, weiß nur das allmächtige Netz.
Kniffliger als beim betreuten Dating ist es, wenn wir uns im
Internet allein auf die Suche machen. Bei unvorbereiteten Treffen
im Chat prallen schon mal unterschiedliche Erwartungen aufein
ander:
fruehstuecksfee74: hallo! Sweet_rave: hallo babe ;-)
fruehstuecksfee74: was machst du so?
sweet_rave: saufen :-D
fruehstuecksfee74: aha. Ist ja interessant
sweet_rave: komm doch vorbei. ;-))
fruehstuecksfee74: lass mal.
sweet_rave: hätte auch wodka da. für wodka-cola ;-D fruehstuecksfee74: verlockendes angebot.
sweet_rave: abend isnoch lang ;-)
fruehstuecksfee74: was hast du denn noch vor?
sweet_rave: poppen, puppe. ;-))
Natürlich sind nicht alle Liebessuchenden im Internet auf dem Sprung ins Bett. Manche erwarten schon ein wenig mehr als einen kurzen One-Night-Stand. Da gibt es zum Beispiel Günther, der erst sich und dann die Damenwelt beschreibt: »Ist 29 jahre sie gut aus, und hoffe auf diesem Weg meine Traumfrau zu Finden! Bitte nur ernst gemeinte Fraun«, formuliert er forsch und hoffnungsfroh ins Netz hinein. Na dann, viel Glück, Günther!
Auch außerhalb von Kontaktbörsen und Flirtseiten ist das Internet ein einziges Ehe-oder Kopulations-Anbahnungsinstitut, das Lie be und »Fun« gerne miteinander verbindet. Die beliebten Online-Rollenspiele haben beispielsweise den Vorteil, dass die Teilnehmer wenigstens schon mal gemeinsame Interessen hegen. Im Fantasy-Rollenspiel Dark Age of Camelot gehen regelmäßig ungewöhnliche Pärchen den virtuellen Bund der Ehe ein: »Wir, Astidan und Eowinae Lockheart, möchten uns nun auch auf Logres im großen Kreise das JA-Wort geben und möchten unsere Freunde dazu recht herzlich einladen (Da es ja auch immer solche gibt, die Feierlichkei ten gerne runterputzen oder uns nicht mögen und denn sich drüber schrottlachen wollen, die bitte ich das ganze einfach zu Ignorieren. Vielen Dank).«
Geglückte virtuelle Beziehungen wie im Fall von Astidan und Eowinae sind keine Seltenheit. »Freunde finden« ist laut einer Stu-die des Stanford Institute
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